Kirchenreform 26/30 Inhalte und Thesen

Der Kirchenrat will mit der «Kirchenreform 26 / 30» einen umfassenden Veränderungsprozess der Reformierten Kirche Aargau anstossen, der die Kirche fit machen soll für die Zukunft, damit sie ihren Auftrag, die Gute Nachricht zu kommunizieren, auch unter veränderten Bedingungen mit Freude und Engagement erfüllen kann. Die Zahlen 26 und 30 drücken aus, dass die für die Reform notwendigen gesetzlichen Bestimmungen bis im Jahr 2026 von der Synode verabschiedet und bis 2030 umgesetzt sind.

Das Evangelium, die gute Nachricht von der unverbrüchlichen Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und den Menschen, ist zeitlos und unveränderlich. Doch die Art und Weise, wie das Evangelium verkündigt wird und wie sich unsere Kirche organisiert, bedürfen intensiver Auseinandersetzungen mit den aktuellen und den zu erwartenden Entwicklungen. Um zukunftsfähig zu sein, muss sich die Kirchenreform 26/30 namentlich für folgende sogenannte Megatrends öffnen: Agilität, Individualisierung, Mobilität, Digitalisierung und Säkularisierung.

Agilität

Sie ist die Fähigkeit, Veränderungen der Umwelt frühzeitig wahrzunehmen und auf diese adäquat zu reagieren: Die Gesellschaft befindet sich in einem stetigen, sich beschleunigenden Veränderungsprozess. Überleben werden Organisationen, die agil auf Veränderungen reagieren können. Als «Ecclesia reformata et semper reformanda» sollte Agilität eigentlich im Erbgut der Reformierten Kirche Aargau verankert sein. Tatsächlich gestalten sich Innovationsprozesse in öffentlich-rechtlichen Institutionen, so auch in der Reformierten Kirche Aargau, eher schwerfällig. Dies wegen der demokratischen Konstitution, den klar definierten politischen Abläufen und des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit.

Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ist agil und innovativ organisiert, ohne ihre demokratische Konstitution zu verletzen.

Individualisierung

Menschsein in der heutigen westlichen Kultur zeichnet sich aus durch eine hohe Selbstbestimmung. Das Individuum wagt, selbst zu glauben und eigene Ausdrucksformen seiner Spiritualität zu finden. Es will in religiösen Vollzügen begleitet, nicht aber bevormundet werden. Die Reformierte Kirche Aargau ist, insbesondere bei der Feier von Gottesdiensten und Kasualien, bislang eher unflexibel.

Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 begleitet Menschen, indem sie die Botschaft des Evangeliums mit individuellen Bedürfnissen verknüpft.

Mobilität

Die Mobilität schenkt den Menschen Freiheit. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Vereins-tätigkeit, Freizeitgestaltung finden je nach Möglichkeit, Interesse und persönlichen Bindungen an verschiedenen Orten statt. In der Reformierten Kirche Aargau sind der Raum des Wohnens und der Raum der religiösen Lebensvollzüge noch weitgehend identisch. Ein Mitglied gehört zwingend der Kirchgemeinde des Wohnorts an, unentgeltliche Kasualien sind nur von der Wohnortskirchgemeinde, ihren Pfarrerinnen und Pfarrern zu erwarten.

Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 kennt Formen der Mitgliedschaft, die das Interesse und die persönlichen Bezüge der Mitglieder berücksichtigen und die nicht zwingend an den Wohnort gebunden sind.

Digitalisierung

Wissen abrufen, Kontakte knüpfen, Netzwerke unterhalten, Verwaltungsabläufe automatisieren – alle diese Vorgänge geschehen heute vornehmlich mit digitalen Mitteln. Formen der physischen Gemeinschaft bleiben für den Zusammenhalt der Gesellschaft und das Wohlbefinden der Menschen wichtig, aber auch sie entstehen zunehmend digital. Die Reformierte Kirche Aargau ist in der digitalen Welt wenig präsent.

Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ist in der digitalen Welt auf der Höhe der Zeit und nutzt ihre Möglichkeiten für den Gemeindebau und die Verwaltung. Sie kombiniert gekonnt das Analoge mit dem Digitalen.

Säkularisierung

Zwar ist der Sinn des Lebens nach wie vor nicht erklärbar und viele essenzielle Fragen sind unbeantwortbar. Menschen sind dennoch spirituell unterwegs. Ihr Suchen nach Sinn und Orientierung erfolgt jedoch nicht-konfessionell in Worten, Bildern und Handlungen aus der aktuellen Lebenswelt. Die Reformierte Kirche Aargau ist zwar aus der Reformation hervorgegangen, Dogmatik, Thematik und Sprache müssen sich aber stetig weiterentwickeln.

Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ist sich ihrem historischen Erbe bewusst und willens, zusammen mit ihren Mitgliedern die Gegenwart und die Zukunft zu gestalten.

Erneut den Aufbruch Abrahams wagen

Die Perspektiven der Reformierten Kirche Aargau verlangen einen mutigen Aufbruch, um zukunftsfähig zu sein. Mutig sein heisst, Vertrautes loszulassen und auszuhalten, dass die Zukunft im Unbekannten liegt. Deswegen nicht aufzubrechen, ist keine Lösung.


Ein biblisches Motiv für die Situation der Reformierten Kirche Aargau ist die Geschichte des Aufbruchs Abrahams. Gott fordert ihn auf, aus seinem Land, aus seiner Verwandtschaft und aus dem Haus seines Vaters auszuziehen und in ein Land zu gehen, das er ihm zeigen werde. Gott verheisst dem Abraham, ein grosses Volk aus ihm entstehen zu lassen (1. Mose 12,1-2). Auch Abraham ist aufgerufen, Vertrautes und lieb Gewordenes zu verlassen. Die Weideplätze in seinem Heimatland sind zu klein, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können, eine Trennung ist unumgänglich. Abraham weiss nur, dass er aufbrechen muss, aber nicht wohin. Er kennt das Land nicht, in welches er gehen soll. Im Vertrauen auf Gottes Begleitung und in der Zuversicht seiner Verheissung macht er sich trotzdem auf den Weg. Wir dürfen uns sinnbildlich dem Aufbruch Abrahams anschliessen.

Mehr zum Thema