Vision 2030 der Reformierten Kirche Aargau
Der Vision liegen die Erkenntnisse aus dem partizipativen Reformprozess zugrunde, an dem sich zwischen August 2021 und März 2024 mehr als 1000 Personen beteiligt haben. Die Ergebnisse wurden im Mai 2024 vom Kirchenrat zu einer Vision mit neun Leitsätzen verdichtet.
Die Reformierte Kirche Aargau vertraut auf Gottes Führung: «Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so im Aargau.»
Basis der Reformierten Kirche Aargau sind das Evangelium und die reformierte Tradition. Als Volkskirche ist sie eine vielfältige Gemeinschaft, die demokratisch und rechtsstaatlich organisiert ist.
Die Reformierte Kirche Aargau verkündet die Kraft des Evangeliums in Wort und Tat, ermöglicht dabei verschiedene Formen von Mitbestimmung und Beteiligung und lebt das Priestertum aller Glaubenden.
Eine schlanke Rechtsordnung gibt den Kirchgemeinden Freiheit in der Gestaltung des Gemeindelebens. Durch Fusionen von Kirchgemeinden sowie durch zentrale administrative Unterstützung werden Synergien genutzt, um die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirchgemeinden nachhaltig zu sichern.
Dem Willen Gottes nach Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Liebe und dem Wohl der Menschheit folgt die Reformierte Kirche Aargau, indem sie diakonisch und seelsorgerlich handelt und für christliche Werte in der Gesellschaft eintritt.
Neun Leitsätze vertiefen die Vision für eine erneuerte Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030. Die Leitsätze geben die Richtung des Kirchenreformprozesses vor und sollen diskutiert, ergänzt, angepasst, umgesetzt und schlussendlich in Kirchgemeinden und Landeskirche gelebt werden.
Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ist Institution, Organisation und Bewegung zugleich. Alle drei Aspekte sind wichtig, um einerseits Vielfalt und Dynamik der Kirche zu bewahren und andererseits die notwendige Ordnung und Stabilität zu gewährleisten.
- Als Institution wirkt die Kirche durch die Verankerung und Tradition – des evangelisch-reformierten Glaubens, seiner Lehre und Kultur, seiner Rituale, Normen und Werte – in die Gesellschaft hinein und wird durch klare, demokratische Strukturen repräsentiert. Die Leitsätze 1, 2, und 3 beschreiben die Positionierung und das Selbstverständnis der Reformierten Kirche Aargau als Institution.
- Als Bewegung ist die Kirche in der Lage, schnell und agil auf veränderte gesellschaftliche Bedingungen zu reagieren. Kirche als Bewegung sind vor allem Menschen, die sich gemäss ihren Glaubensüberzeugungen und Werten engagieren. Eine Bewegung braucht kreativen Freiraum. Durch die Leitsätze 4, 5 und 6 wird die Kirche als Bewegung gestärkt.
- Als Organisation weist die Kirche eine zeitgemässe Verwaltung auf, die rational, zweckorientiert und planerisch handelt. Dies gilt für die Verwaltung finanzieller, personeller und materieller Ressourcen, wie auch für die Planung von Gottesdiensten, Bildungsprogrammen und sozialen und diakonischen Aktivitäten. Eine gute Organisation sorgt für Stabilität. Die Leitsätze 7, 8 und 9 beschreiben den organisatorischen Rahmen.
Leitsatz 1: Die Basis der Reformierten Kirche Aargau ist das Evangelium und die reformierte Tradition.
«Wie im Himmel, so im Aargau», der Slogan der Kirchenreform, greift den Satz des «Unser Vater» auf: «Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.» Und wie auf Erden, so auch im Kanton Aargau. Es braucht Mut, um sich immer wieder für den Willen Gottes zu öffnen. Und es braucht Demut, um den Willen Gottes nicht mit dem eigenen Willen zu verwechseln. Basis und Wegweiser dafür sind das Evangelium und die reformierte Tradition.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 bekennt sich zum Evangelium Jesu Christi gemäss der Heiligen Schrift des Alten und des Neuen Testaments und ist so Teil der allgemeinen christlichen Kirche. Sie basiert auf der reformierten, durch die Aufklärung geprägten Tradition, versteht sich als erneuerte und stets zu erneuernde Kirche und ist damit Teil der weltweiten Gemeinschaft reformierter Kirchen.
Leitsatz 2: Die Reformierte Kirche Aargau wirkt dank demokratisch-rechtsstaatlicher Strukturen in die Gesellschaft hinein.
Das Evangelium als Basis der Reformierten Kirche Aargau hat einen öffentlichen Anspruch. Die Reformierte Kirche Aargau versteht sich als Volkskirche, die über ihre eigenen Grenzen hinaus auch in eine zunehmend säkulare Gesellschaft hineinwirkt. Sie beteiligt sich – gemäss §2 der Kirchenordnung – «in Erfüllung ihres Auftrages auch an der Gestaltung des Staates und an seinen Aufgaben». Die Reformierte Kirche Aargau trägt durch diakonische und seelsorgerliche Angebote dazu bei, allen Menschen unabhängig von ihrer konfessionellen oder religiösen Prägung ein gelingendes Leben zu ermöglichen. Sie setzt sich ein für das Wunder der Schöpfung, für Gerechtigkeit und Frieden. Dank demokratischer, rechtsstaatlicher und staatsanaloger Strukturen ist die Reformierte Kirche Aargau eine vertrauenswürdige Dialogpartnerin für Politik, Institutionen, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft, sowie für andere Kirchen und Religionsgemeinschaften.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 bewahrt ihre demokratische und rechtsstaatliche Organisationsform, versteht sich als Volkskirche und wirkt in die Gesellschaft hinein.
Leitsatz 3: Die Reformierte Kirche Aargau ist eine vielfältige Gemeinschaft.
Als Volkskirche betrachtet die Reformierte Kirche Aargau verschiedene Glaubensformen, Frömmigkeitsstile, Lebensorientierungen, Überzeugungen und Kulturen als Bereicherung und begegnet ihnen offen, wertschätzend und tolerant. Im Ringen um ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums, der Inhalte des christlichen Glaubens, sowie der immer wieder neuen Übersetzung in die jeweilige Gegenwart hinein, findet die Reformierte Kirche Aargau neue Formen, um den Menschen an unterschiedlichen Orten und Zeiten zu begegnen.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 fördert die kirchliche Vielfalt, stärkt die Menschen bei ihrer Suche nach Sinn und Orientierung, ermutigt sie, in reformierter Bekenntnisfreiheit ihrem eigenen Glaubensverständnis Ausdruck zu geben und eigene, neue Formen von Spiritualität zu entwickeln.
Leitsatz 4: Die Reformierte Kirche Aargau ermöglicht verschiedene Formen von Zugehörigkeit.
Als vielfältige Gemeinschaft, die anschlussfähig an die Lebensrealität der Menschen ist, ermöglicht die Reformierte Kirche Aargau verschiedene Formen von Mitgliedschaft und Teilhabe. Sie orientiert sich dabei am Vorbild des Evangeliums: Neben dem engsten Kreis folgten Jesus weitere Menschen abschnittsweise und zeitlich begrenzt nach. Die Reformierte Kirche Aargau bietet jenseits des klassischen Modells der lokalen Mitgliedschaft die freie Wahl der Kirchgemeinde, neue Gemeinschaftsformen, digitale Zugänge und angepasste Mitgliedschaftsmodelle, die den Blick für verschiedene Formen der Verbundenheit schärfen und die Selbstbestimmung der Menschen in der Gestaltung ihres Glaubenslebens stärken. In der Vielfalt der Gemeinschaftsformen liegt die Stärke der Reformierten Kirche Aargau 2030.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 bietet verschiedene Gemeinschaftsformen und ermöglicht den Menschen verschiedene, selbstbestimmte Formen von Mitbestimmung, Teilhabe und aktiven Beteiligungsmöglichkeiten.
Leitsatz 5: Die Reformierte Kirche Aargau wird durch Freiwillige gleichberechtigt und auf Augenhöhe mitgestaltet.
Die Reformierte Kirche Aargau ermöglicht verschiedene Beteiligungsformen. Auch die Gestaltung des Gemeindelebens liegt verstärkt in den Händen von Freiwilligen. Sie sind mit ihren Visionen, Wünschen, Ideen, ihren individuellen Glaubensprofilen, ihren Gaben und Fähigkeiten das Rückgrat der Kirche. Gemeinsam mit den anderen Diensten, Ämtern und Funktionen sind sie Leib Christi, in dem keines der Glieder einen besonderen Vorzug geniesst. Die Zusammenarbeit erfolgt auf Augenhöhe. Freiwillige Mitarbeitende werden durch Ausbildungen befähigt und gestärkt. Durch eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung stärkt und verändert kirchliche Freiwilligenarbeit auch die Zivilgesellschaft.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ist eine Beteiligungs- und Ermöglichungskirche, in der das Priestertum aller Glaubenden gelebt wird. Das Engagement der Menschen für die lokale Gemeinschaft ermöglicht ein vielfältiges Gemeindeleben.
Leitsatz 6: Die Reformierte Kirche Aargau ist nach dem Subsidiaritätsprinzip aufgebaut: Das Gemeindeleben wird lokal gestaltet.
Das Gemeindeleben, welches auf dem kreativen Engagement von Freiwilligen beruht, braucht Gestaltungsfreiraum, der es ermöglicht, agil zu handeln, sich an den Bedürfnissen des lokalen Umfelds und der Gemeindemitglieder zu orientieren sowie auf die vorhandenen Gaben zurückzugreifen. In der Reformierten Kirche Aargau werden Entscheidungen – gemäss dem Subsidiaritätsprinzip – dort getroffen, wo der Schwerpunkt ihrer Auswirkungen liegt. Bei der Gestaltung des lokalen Gemeindelebens besteht die Möglichkeit, auf den Rahmen bestehender, landeskirchlicher Konzepte zurückzugreifen oder eigene Konzepte zu definieren und nach regionaler Absprache lokale Prioritäten zu setzen, oder Aufgaben an überregionale oder kantonale Strukturen zu übergeben.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 ermöglicht Freiheit in der Gestaltung des lokalen Gemeindelebens, Anpassung an lokale Bedürfnisse und Prioritätensetzung durch regionale Zusammenarbeit.
Leitsatz 7: Die Reformierte Kirche Aargau nutzt Synergien durch Fusionen und Zusammenschlüsse von Kirchgemeinden.
Regionale Zusammenarbeit, Zusammenschlüsse und Fusionen ermöglichen es den Kirchgemeinden, Angebote aufrecht zu erhalten und Verwaltungsstrukturen zu verschlanken. Durch Fusionen stellen Kirchgemeinden ihre autonome Handlungsfähigkeit bezüglich Finanzen, Personal, Immobilien, Besetzung der Behörden und inhaltlichem Mindestangebot sicher. Fusionen von Kirchgemeinden werden durch Anreize von der Landeskirche aktiv gefördert. Kirche als gestaltende, lebendige Gemeinschaft vor Ort ist nahe bei den Menschen. Kirche als Organisation nutzt regionale Synergien. Kirche als Institution ist effizient zentral organisiert.
- In der Reformierten Kirche Aargau 2030 haben viele Kirchgemeinden fusioniert, um ihre autonome Handlungsfähigkeit nachhaltig zu sichern, den Einsatz von Personal zu optimieren sowie administrative Funktionen und Infrastruktur gemeinsam zu nutzen.
Leitsatz 8: Die Reformierte Kirche Aargau bietet Kirchgemeinden Unterstützung bei administrativen Aufgaben.
Um die autonome Handlungsfähigkeit der Kirchgemeinden nachhaltig zu unterstützen, und damit mehr Ressourcen der Kirchgemeinden in das Gemeindeleben fliessen können, unterstützt die Landeskirche die Kirchgemeinden bei administrativen Aufgaben. Gemeinden können den Support durch ein professionelles Dienstleistungszentrum beziehen.
- In der Reformierten Kirche Aargau im Jahr 2030 übernimmt die Landeskirche – als Dienstleistung für die Kirchgemeinden – einen Grossteil von deren Verwaltungsaufgaben, damit sich die Kirchgemeinden auf die Gestaltung des Gemeindelebens konzentrieren können.
Leitsatz 9: Die Reformierte Kirche Aargau hat eine schlanke Kirchenordnung, die so viel wie nötig und so wenig wie möglich regelt.
Dank einer schlanken Kirchenordnung ist die Reformierte Kirche Aargau als Organisation wandlungsfähig, risikobereit und agil und kann sich flexibel an geänderte gesellschaftliche Bedingungen anpassen. Regelungen, die die demokratisch-rechtsstaatliche Organisationsform betreffen, bleiben bestehen. Abgesehen davon regelt die Kirchenordnung nur so viel wie nötig. Die innovationsorientierte Struktur der Reformierten Kirche Aargau basiert auf zwei Pfeilern: einerseits auf einer schlanken Verwaltung, die durch Zentralisierung und Vereinheitlichung effizient handelt und andererseits auf der Freiheit der Kirchgemeinden bei der Ausgestaltung des Gemeindelebens.
- Die Reformierte Kirche Aargau im Jahr 2030 vertraut auf Gottes Führung: «Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so im Aargau.». Eine schlanke Rechtsordnung ermöglicht Kirchgemeinden Gestaltungsfreiheit ihres Gemeindelebens.