1894 gegründet, erstreckt sich die Kirchgemeinde Mellingen mit ihren rund 5900 Mitgliedern heute über neun politische Gemeinden und ist in die drei Teilgemeinden Mellingen, Rohrdorf und Fislisbach gegliedert. Seit 2008 präsidiert Barbara Zimmermann die Kirchenpflege der Reformierten Kirchgemeinde Mellingen. Über ihr zeitintensives Ehrenamt sagt sie: «Ich engagiere mich nicht aus Aufopferung, sondern mit Herzblut. Es braucht die Liebe zu etwas, dann ist es nicht Aufwand.»
Diese Liebe zur Kirche wurde ihr in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in der Diaspora im Kanton Solothurn, erfuhr sie sowohl im Elternhaus, als auch durch den dortigen Pfarrer eine positive Glaubensprägung. Bereits in den 1980er-Jahren war sie Mitglied der Kirchenpflege der Stadt Zürich. Mittlerweile im Aargau wohnhaft, wurde sie 2008 direkt ins Präsidium der Reformierten Kirchgemeinde Mellingen gewählt. «Die persönliche Anfrage von zwei Delegierten der damaligen Kirchenpflege war einerseits sorgfältig vorbereitet und wurde andererseits in einem passenden Moment an mich herangetragen», blickt Barbara Zimmermann zurück. Sie arbeitete seinerzeit in einem 90-Prozentpensum in Leitungsfunktion und als Ausbildnerin an der Höheren Fachschule Pflege in Zürich: «Ich war beruflich mit Führung vertraut, darum machte mir das Präsidium nicht Angst.» Im Gegensatz zum Berufsalltag reizte sie die partnerschaftliche Gemeindeleitung. «In der Kirchenpflege bin ich kein einsamer CEO. Wir leiten im Team und tragen die Verantwortung zusammen.»
Ebenen gut trennen
Die 61-Jährige wohnt einen Steinwurf vom Kirchgemeindezentrum Rohrdorf entfernt und ist seit Ende 2016 frühpensioniert. «Jetzt habe ich Zeit in Hülle und Fülle», erzählt sie strahlend. Ihr ist jedoch mehr wie bewusst, dass sie dennoch nicht Tag und Nacht für das Kirchenpflegeamt zur Verfügung stehen will. «Im Gegensatz zu früher bringt mich jedoch ein unerwartetes Gespräch nicht gleich in Stress.» Für Barbara Zimmermann ist es zentral, dass die Kirchenpflege strategisch führt und sich nicht operativ einmischt. «Ich will keine Kirchenpflege, die an Anlässen Kaffee macht oder hinter den Basarständen steht. Dass wir ohne diese Vermischung auskommen, ist natürlich nur dank die Grösse unserer Kirchgemeinde möglich. Ich weiss um dieses Privileg.»
Mehr junge Menschen in der Behörde
Übers Jahr gesehen sind es rund zwanzig Stellenprozente, die Barbara Zimmermann in ihr Ehrenamt als Kirchenpflege-Präsidentin investiert. Dazu gehören 13 bis 14 Abendsitzungen im Jahr, die jeweilige Ressortarbeit oder das Mitwirken in den Kommissionen der Teilkirchgemeinden. Die jährliche Retraite gehört weiter zum Arbeitsprogramm, genauso die geselligeren Elemente wie der Sommer- und Winterapéro oder der Abendausflug der Kirchenpflege – «auf eigene Rechnung» – betont Barbara Zimmermann. Die einzelnen Kirchenpflegemitglieder bringen das nötige Fachwissen meist aus dem beruflichen Kontext ins Ressort ein oder werden von der Landeskirche in ihrer Aufgabe aus- und weitergebildet. «Teamfähigkeit und das Kollegialitätsprinzip sind entscheidend.» Persönlich schätzt es Barbara Zimmermann überaus, dass ihr Partner ihr Engagement mitträgt. «Gerade bei jüngeren Personen ist dieser Aspekt oft ein Hindernis für ein Engagement in der Kirchenpflege. Sie befürchten, dadurch zu wenig Zeit für die Familie zu haben.» Bei allem Verständnis findet Barbara Zimmermann: «Man muss sich ja nicht lebenslang einbringen. Schon ein Engagement von kurzer Zeit ist viel Wert» und sie ergänzt: «Wir wollen auf jeden Fall kein Seniorengremium sein. Das bildet schlicht unsere Kirchgemeinde nicht ab.»
Ein riesiger Schatz
Die bald zehn Jahre im Kirchenpflege-Präsidium waren für die lösungsorientierte Barbara Zimmermann in verschiedener Hinsicht lehrreich. Besonders viel Sorgfalt legt sie in den Blick auf die verschiedenen Kulturen in ihrer Kirchgemeinde. Das heisst, sie geht hin und hört hin. «Zu Beginn wollte ich die Gesamtkirchgemeinde fördern.» Doch sie merkte schnell, dass es die drei Teilgemeinden Mellingen, Rohrdorf und Fislisbach mit ihren jeweiligen Profilen genauso braucht wie das sinnvolle Nutzen von Synergien für die Gesamtkirchgemeinde. Barbara Zimmermann: «Wir haben einen riesigen Schatz mit den drei Teilkirchgemeinden. Jede ist speziell und es braucht sie alle. Das lernte ich zu akzeptieren.» Der Vielfalt und Einheit ist auch die nächste Retraite der Kirchenpflege gewidmet unter dem Leitwort «Vision, Mission, Werte.» Perfekt ins Programm passt der Prozess der neuen Namensgebung, der von der Reformierten Landeskirche Aargau angestossen wurde. Er sieht vor, dass künftig alle Aargauer Kirchgemeinden unter der einheitlichen Wortmarke «Reformierte Kirche» auftreten. «Bildet es unsere Kirchgemeinde ab, wenn wir uns ‚Kirche Mellingen’ nennen?» Barbara Zimmermann stellt diese Frage mit Gelassenheit in den Raum. «Wir stossen die Diskussion in der Kirchenpflege an, dann werden alle Mitglieder auf lustvolle Art in den Prozess eingebunden. So kommen wir ins Gespräch. Dies sehe ich als Chance.»
Alle sind gefragt
Ins Gespräch zu kommen, ist für Barbara Zimmermann Ausdruck lebendiger Gemeinschaft. «Selbstverständlich sind auch mir unsere kirchlichen Zentren mit ihren Gebäuden wichtig. Letztlich aber lebt die Kirche von den Menschen.» Barbara Zimmermann vertritt das allgemeine Priestertum, bei dem nicht primär die Pfarrperson im Vordergrund steht, sondern die Mitglieder ebenfalls Angebote machen können. Tönt gut. Doch selbst in der Kirchgemeinde Mellingen ist nicht alles rosig. «Auch bei uns sinken die Mitgliederzahlen womit die Finanzen knapper werden. Dennoch motiviere ich lieber zum Gemeindeaufbau, als dass ich vom sinkenden Schiff spreche. Hier gilt es, die Balance zu finden.»
Das Evangelium als Fundament
Barbara Zimmermann baut auf das Evangelium von Jesus Christus. Dafür soll ihrer Meinung nach Kirche hinstehen dürfen. Als Kirchenpflegerin entwickelt sie auf diesem Fundament solide Grundlagen, damit in der Kirchgemeinde alle gut arbeiten und mitwirken können. Gerade bei den ordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind ihr etwa genaue Stellenbeschriebe inklusive Überzeitenregelung ein Anliegen: «Niemand soll bis zur Erschöpfung arbeiten.» Über sich sagt die Lösungsorientierte frei von der Leber weg, dass sie sich «nicht so wichtig nimmt.» Dies jedoch im Wissen, dass es durchaus entscheidend ist, wie die «Chefin» auftritt, wie sie als Repräsentation der Kirchgemeinde in der Öffentlichkeit steht.