Standesethische Selbstverpflichtung des Aargauer Pfarrkapitels.
1. Geltungsbereich und Zweck
a) Das Pfarrkapitel legt die standesethische Selbstverpflichtung allen amtierenden Pfarrern und Pfarrerinnen im Aargauer Ministerium vor, sowie inskünftig allen, die erstmals eine pfarramtliche Tätigkeit in der Aargauer Landeskirche aufnehmen. Die persönliche Kenntnisnahme und Zustimmung ist ein Mal durch Unterschrift zu bestätigen. Je ein unterschriebenes Exemplar wird der zuständigen Kirchenpflege, eines dem Kirchenrat und ein weiteres dem Vorstand des Pfarrkapitels zugestellt. (Transparenz und Verbindlichkeit)
b) Die standesethische Selbstverpflichtung dient einer theologisch und menschlich verantwortungsvollen Handlungsorientierung, dem Schutz der Würde, sowie der psychischen, spirituellen und physischen Integrität aller Menschen, mit denen Pfarrerinnen und Pfarrer in Ausübung ihres Amtes zu tun haben, dem Schutz unseres Berufsstandes.
2. Grundlage
Grundlage für die Tätigkeit als Pfarrer und Pfarrerin in der Aargauer Landeskirche ist das Ordinationsgelübde: "Ich gelobe vor Gott, dem Allmächtigen und Barmherzigen, Christus und seiner Kirche in Treue zu dienen, sein Wort nach der Heiligen Schrift zu lehren und zu predigen und mich im Leben vom Geist des Evangeliums bestimmen zu lassen." (Kirchenordung § 66) Der Auftrag des Evangeliums, Leben zu achten und zu schützen, verpflichtet zu einem sorgfältigen, verantwortungsbewussten Umgang mit anderen und mit sich selbst.
3. Konkrete Leitlinien
a) Theologische Kompetenz
Die Unterzeichnenden denken, sprechen und handeln theologisch verantwortungsvoll. Sie pflegen ihre Spiritualität.
b) Seelsorgerliche Kompetenz
Die Unterzeichnenden haben ihrer seelischen und körperlichen Gesundheit Sorge zu tragen und setzen sich mit ihren persönlichen und beruflichen Grenzen auseinander. Was ihnen in der Ausübung ihres Berufes anvertraut wird, untersteht der Schweigepflicht. Sie beachten den Persönlichkeits- und Datenschutz.
Die Beziehung zwischen Seelsorgenden und Ratsuchenden ist wie die medizinische oder psychotherapeutische Beziehung eine professionelle Beziehung, die durch ein Machtgefälle gekennzeichnet ist. Das Ungleichgewicht, das in einer seelsorgerlichen Beziehung bezüglich Status, Rolle, Wissen und Erfahrung besteht, darf von Seelsorgenden nicht zur Befriedigung eigener Bedürfnisse ausgenutzt werden. Liebevolle Worte oder zärtliche Gesten haben ihren Platz in der Begleitung leidender Menschen. Sie haben mit sexuellen Übergriffen nichts zu tun. Die Seelsorgenden verpflichten sich dabei, stets die Reaktionen des Gegenübers wahrzunehmen, zu reflektieren und zu respektieren.
Erotisch-sexuelle Phantasien oder Gefühle können in einer beruflichen Beziehung auftauchen. Die Unterzeichnenden bemühen sich darum, sich diese bewusst zu machen. Ihr Ausleben ist in jeder Form untersagt. Darin eingeschlossen sind verbale Übergriffe sowie Berührungen, die sich an den Bedürfnissen der Unterzeichnenden orientieren. Die selbstkritische Reflexion der in der seelsorgerlichen Beziehung entstehenden Gefühle ist Voraussetzung für das eigentliche Ziel der Seelsorge: das Heilwerden der ratsuchenden Person.
Die Unterzeichnenden enthalten sich jeder Nötigung, jeder politischen, ideologischen oder religiösen Indoktrination, insbesondere dann, wenn der betreffende Mensch infolge einer Krankheit oder Krise seine Freiheit und Autonomie nicht verteidigen kann. Grundsätzlich soll stets die Selbständigkeit der Hilfesuchenden gestärkt werden.
c) Pädagogische Kompetenz
Im pädagogischen Handeln mit Kindern und Jugendlichen verpflichten sich die Unterzeichnenden zu spezieller Sorgfalt. Sie sind sich der grossen Verantwortung im Umgang mit Heranwachsenden bewusst. Ein sorgsames Umgehen mit Nähe und Distanz ist Voraussetzung für diese Arbeit. Die Vorbildfunktion der Unterrichtenden und die Offenheit der ihnen Anvertrauten, die auf der Suche sind nach glaubhaften Leitbildern, die ihnen helfen, ihre eigene geschlechtsspezifische Identität aufzubauen und zu entwickeln, fallen hier besonders ins Gewicht. Ziel ist die Selbständigkeit, Mündigkeit und Entfaltung der Kinder und Jugendlichen. Alles, was sie in Abhängigkeiten behält oder in diese hineinführt, ist zu vermeiden.
d) Soziale Kompetenz
Die Unterzeichnenden halten sich von jedem vorsätzlichen Unrecht sowie jeder sonstigen Schädigung einer anderen Person fern (z.Bsp. Erschleichung einer Erbschaft, Aneignung von Gütern etc.).Sie reflektieren kritisch die an sie herangetragenen Projektionen und Rollenerwartungen. Sie gehen bewusst mit den Gefahren und Chancen ihres Amtes um.In der Zusammenarbeit mit anderen Menschen (Lagerleitung, Besuchsdienste etc.) ist die standesethische Selbstverpflichtung zu bedenken. Mitarbeitende sind auf ihre je eigene Verantwortung hinzuweisen.
In jedem Fall bleibt die Verantwortung für das berufliche Handeln bei den Unterzeichnenden. Darum erachten diese es als selbstverständlich, sich in ihrer Arbeit von qualifizierten Personen begleiten zu lassen. Sie verpflichten sich, in schwierigen Situationen Hilfe zu suchen.