Am 30. April feierte das traditionsreiche Aargauer Pfarrkapitel sein mehr als 200-jähriges Bestehen mit einem Festakt in der Stadtkirche Aarau unter Leitung seines Präsidenten Pfr. Matthijs van Zwieten de Blom. Regierungsrat Dieter Egli und Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg richteten neben anderen Gästen aus Kirchen und Verbänden Grussworte aus. Das Kabarett-Duo «Camillo» aus Deutschland begeisterte das Publikum mit seinem musikalischen Programm.
Im Juni 1821 vereinigte der Aargauer Regierungsrat die beiden reformierten Pfarrkapitel von Aarau-Zofingen und Brugg-Lenzburg zu einem Generalkapitel. «Dieser Staatsakt setzte eine Art Siegel unter die Loslösung der Reformierten im Aargau von der Berner Kirche. Der Regierungsrat hat diesen Entschluss allerdings gegen den Willen der Pfarrer gefasst.» erklärte der Präsident des Aargauer Pfarrkapitels Matthijs van Zwieten de Blom in seiner Ansprache.
Die Feier zum 200-jährigen Bestehen wurde aufgrund der Pandemiebedingungen im Jahr 2021 im April 2022 nachgeholt. Im Mittelpunkt der Jubiläumsfeier stand das Musikkabarett-Duo Camillo aus Deutschland, das sein Programm «Im Himmel ist ‘ne Party» präsentierte.
So nah am Leben wie wenige andere
Kapitelspräsident van Zwieten de Blom betonte im Blick auf die heutige Zeit, dass der Pfarrberuf auch heute noch der schönste Beruf sei, den es gibt: «Kein anderer Beruf ist so nah am Leben dran, in allen seinen Facetten, von der Geburt bis zum Tod, von tiefer Trauer bis zu überschwänglicher Freude, mit der Freiheit, alle grossen Fragen nach dem Woher und Wohin und dem Sinn zu stellen und mit der Verheissung, dass Gottes Liebe das alles trägt und segnet.»
Das Pfarrkapitel sei heute in erster Linie ein Berufsverband, der in der Kirchenordnung verankert ist, erklärte der Präsident weiter, der «theologische Bildungs- und Reflexionsräume anbietet an und sich für Arbeits- und Lebensbedingungen einsetzt, die für die Ausübung unserer Berufung fördernd und motivierend sind.»
Die veränderte Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer
Viele Ehrengäste richteten Grussworte aus: Der Aargauer Regierungsrat Dieter Egli, Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg, die römisch-katholische Kirchenrätin Dorothee Fischer und die Vorstandsmitglieder des Schweizerischen Reformierten Pfarrvereins Verena Salvisberg und Hansjakob Schibler.
Christoph Weber-Berg erklärte: «Die Rolle des Pfarrers und der Pfarrerin haben sich massiv verändert und sind doch im Kern ähnlich oder gleichgeblieben. Lehre und Verkündigung des Evangeliums, Seelsorge, Diakonie, Gemeindeleitung.» Der Kirchenratspräsident würdigte das Pfarrkapitel als «Ansprechpartner und Gegenüber des Kirchenrats in Fragen, welche die Pfarrschaft als Berufsstand betreffen, aber auch in theologischen und in Fragen, die das Kirche-Sein betreffen.»
Aus Sicht von Weber-Berg ist das Pfarrkapitel «allem voran auch der Zusammenschluss von Menschen, die ihr Leben beruflich und privat in den Dienst des Evangeliums und der Kirche stellen», von Menschen, die sich der Heiligen Schrift verpflichtet haben und «das Wort Gottes zu lehren und zu predigen und ihr Leben daran auszurichten.» Weber-Berg weiter: «Dieses enorm hohe Engagement des Berufsstands Pfarrerin und Pfarrer gilt es heute zu würdigen und an die Adresse aller Kapitelsmitglieder zu verdanken.»
«Die Kirchen machen vieles, was nottut»
Regierungsrat Dieter Egli bekannte in seinem Grusswort, dass die Theologie durchaus aber nie ganz zuoberst auf der Liste seiner Studienwünsche stand. Der Regierungsrat konstatierte zwar: «Die Zeiten, in denen der Pfarrer neben dem Lehrer und dem Gemeindeammann die grosse Autorität im Dorf war, sind definitiv vorbei.» Er würdigte aber auch: «Sie machen in den Kirchen vieles, was nottut. Die Kirche übernimmt Aufgaben, aus denen sich der Staat unter finanziellem Druck oft tendenziell zurückzieht. … Konkreter ausgedrückt: Viele kirchliche Mitarbeitende, und vor allem auch Sie als Pfarrerinnen und Pfarrer, übernehmen oft Aufgaben, die sonst niemand mehr macht: Sie hören Menschen zu, kümmern sich um ihre Probleme – ganz grosse, aber auch ganz kleine. Sie nehmen sich Zeit für die Menschen.»
«Das moralische Engagement der Kirche ist unersetzlich»
Egli machte das beispielhaft am Engagement der Kirchen in der Pandemiezeit fest, in der die Kirchen «unbeachtet von der Öffentlichkeit viele Aufgaben übernommen und viele Nöte abgefedert haben – und dies, während Sie selber unter sehr erschwerten Bedingungen arbeiten mussten.» Und am aktuellen Engagement für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine. «Dieses materielle, aber eben auch dieses seelsorgerische und – ich sage es bewusst – auch moralische Engagement der Kirche als Teil der Zivilgesellschaft ist unersetzlich,» betonte Egli.
Er forderte die Kirche auf, auch in Zukunft «wenn nötig auch unbequem zu sein». «Benennen Sie Wahrheiten. Schärfen Sie unseren Blick für Ungerechtigkeiten, soziale und andere. Stellen Sie sich auf die Seite derer, die sich selber nicht helfen können und die benachteiligt werden.»
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