Bericht von der Synodesitzung am 4. Juni 2008 der Reformierten Landeskirche Aargau

Veröffentlicht am 4. Juni 2008

Medienmitteilung – Spannende «Richtungswahl» für den Kirchenrat und Zustimmung zu allen Vorlagen

Die Synode der Reformierten Landeskirche Aargau wählte am Mittwoch in Aarau im zweiten Wahlgang die Synodale Elisabeth Känzig-Isler aus Niederlenz in den Kirchenrat. Alle vom Kirchenrat vorgelegten Geschäfte wurden z.T. mit minimalen Änderungen angenommen. Das Organisationsstatut – die Verfassung der Landeskirche und Grundlage ihrer öffentlich-rechtlichen Anerkennung – wird im Rahmen der Kirchenordnungsrevision einer Gesamtrevision unterzogen. Mit dem geänderten Dienst- und Lohnreglement der Landeskirchlichen Dienste wird zum ersten Mal ein Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen eingeführt. Verschiedene Regelemente werden aufgrund des neuen kantonalen Gesetzes über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen angepasst. Rechnung und Jahresbericht 2007 passierten mit wenig Diskussion ohne Gegenstimme.

Synodepräsident Daniel Hehl (li) verabschiedet Kirchenrat Konrad Naegeli mit einem Blumenstrauss zVg

So spannend wie nie zuvor in den letzten Jahren haben es die 160 anwesenden Synodalen bei der Ersatzwahl für den Ende Juni zurücktretenden Kirchenrat Konrad Naegeli gemacht. Die Entscheidung im zweiten Wahlgang fiel äusserst knapp aus. Michael Rahn, der sich im Namen der Fraktion Lebendige Kirche für deren Kandidatin Elisabeth Känzig-Isler einsetzte, sprach denn auch von einer «Richtungswahl» zwischen «einer Kandidatin aus der Politik» und einer aus der Kirche, die die Kirche von innen kenne. Denn mit Elisabeth Känzig, Kirchenpflegepräsidentin in Niederlenz, wären die Ehrenamtlichen in der Gemeindeleitung im Kirchenrat vertreten, betonte Ursula Stocker bei der Vorstellung der Kandidatin. Für Renate Gautschy, Grossrätin FDP und Gemeindeammann in Gontenschwil aber bisher ohne kirchliche Amtserfahrung, spreche die politische Erfahrung in vielen Ämtern und die hervorragende Vernetzung im Kanton, betonte Franziska Zehnder bei der Vorstellung der Kandidatin der Fraktion Freies Christentum. Mit ihr würde die Reformierte Landeskirche gute Kontakte in die Politik und die Verstärkung der gesellschaftlichen Position der Kirche im Kanton Aargau wählen, begründeten Doris Lüscher und andere Synodale ihre Empfehlung für Gautschy. Bei den weiteren Wortmeldungen diskutierten die Synodalen deutlich mehr und kontroverser über Renate Gautschy als über Elisabeth Känzig.

Mit grosser Spannung wurde im Grossratssaal das Wahlresultat erwartet: Von den 156 gültigen Stimmen – bei drei Leeren und eine Ungültigen – entfielen 78 auf Känzig und 77 auf Gautschy. Das absolute Mehr von 79 Stimmen hatte keine Kandidatin erreicht. Ein zweiter Wahlgang war nötig. In diesem wurde dann Elisabeth Känzig-Isler mit 81 von 157 gültigen Stimmen gewählt. Sie tritt ihr Amt im Kirchenrat am 1. Juli 08 an. Renate Gautschy erreichte nur noch 76 Stimmen.

Während der Auszählung verabschiedeten Synodepräsident Daniel Hehl, Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen und Ursula Stocker von «seiner» Fraktion Kirchenrat Konrad Naegeli und würdigten seine beeindruckenden Leistungen und Impulse im Dossier Seelsorge (s. separate Texte).

Ganz anders, nämlich mit 100% oder 155 von 155 Stimmen, wurde Markus Auernhammer-Vilmányi, Synodaler aus Reinach-Leimbach, in die Geschäftsprüfungskommission der Synode als Nachfolger von Hans Gautschy gewählt.

Jahresbericht und Rechnung und eine überraschende Motion

Bei den anschliessenden Geschäften ging es weitgehend einstimmig weiter. So wurden der Jahresbericht 2007 und die Rechnungen 2007 der Zentralkasse der Landeskirche und verschiedener Institutionen ohne grosse Diskussion und Gegenstimmen genehmigt. Das Traktandum Jahresbericht nahm Kirchenratspräsidentin Claudia Bandixen zum Anlass, um in einer längeren Rede vor der Synode zum ersten Mal ausführlicher über Schwerpunkte in der Arbeit des Kirchenrates wie die Jahresthemen «reformiert glauben» (2007) und «reformiert im Dialog» (2008) zu berichten.

Die Rechnung 2007 schliesst bei einem Gesamtaufwand von 10 829 316 Franken mit einem Ertragsüberschuss von 83 672 Franken ab. Über die Verwendung des Ertragsüberschuss beschliesst die Synode im November 2008. Und genau auf diese einzigartige Vorgehensweise ging Jürg Hochuli mit einer mündlichen Motion ein. Er forderte, dass allfällige Ertragsüberschüsse komplett im Eigenkapital verbleiben, um die «Bazar-ähnlichen Diskussionen über Beiträge an Institutionen und Organisationen» zu vermeiden. Diese sollen im Rahmen des ordentlichen Jahresbudgets eingeplant und diskutiert werden. Die Synode erklärte seine Motion für erheblich und lehnte gleichzeitig einen Gegenantrag von Elisabeth Känzig ab, die 50% des Ertragsüberschusses wie bis anhin als Beiträge verteilen und nur 50% dem Eigenkapital zuweisen wollte.

Ein Vaterschaftsurlaub In der Landeskirche – für alle oder niemanden

Bei den weiteren Vorlagen gab vor allem die Einführung eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs im Rahmen der Teilrevision des Dienst- und Lohnreglements der Landeskirchlichen Dienste und des Kirchenrates (DLR) zu reden. Viele Synodale begrüssten zwar die sozial fortschrittliche Regelung für die landeskirchlichen Angestellten, Stefan Mayer, Mellingen, mahnte aber die Umsetzung der gleichen Regelung auch in den Reglementen für die ordinierten und nicht-ordinierten Angestellten der Kirchgemeinden an. Was wiederum Hans-Peter Tschanz, ebenfalls aus Mellingen, auf den Plan rief, der genau dies befürchtete und deshalb vor der isolierten Einführung des Vaterschaftsurlaubs warnte. «Denn», so Tschanz, «die finanziellen Folgen für die Kirchgemeinden sind nicht genügend abgeklärt.» Die Gemeinden gerieten durch diese Regelung unter Druck, ohne dass sie sich dazu in einer Vernehmlassung hätten äussern können.

Trotzdem wurde das neue DLR schlussendlich mit nur einer Gegenstimme und einer Änderung angenommen: Rosmarie Bolliger, Lenzburg, beantragte erfolgreich, dass die landeskirchlichen Angestellten beim Tod eines Ehegatten (oder Partners/Partnerin) oder eines Kindes fünf statt nur drei Tage zusätzlichen bezahlten Urlaub erhalten.

Gesamtrevision des Organisationsstatuts diskussionslos beschlossen

Dass im Zuge der derzeit laufenden Gesamtrevision der Kirchenordnung auch eine Gesamtrevision des Organisationsstatuts nötig und sinnvoll wäre, hatte der Kirchenrat in seiner Vorlage so gut begründet, dass die Synode dem Antrag ohne Diskussion und Gegenstimme folgte. Als Revisionskommission wurde die bereits in der Revision der Kirchenordnung tätige Koordinationskommission eingesetzt. Das Organisationsstatut ist die «Verfassung» der Reformierten Landeskirche und richtet sich nach den Vorgaben der Kantonsverfassung für die Anerkennung als öffentlich-rechtliche Landeskirche. Die neue Version soll möglichst schlank gehalten werden, nur die nötigen Bestimmungen enthalten und mit der Struktur der neuen Kirchenordnung korrespondieren. Es muss vom Aargauer Grossen Rat genehmigt werden.

Umsetzung des neuen kantonalen Datenschutzgesetzes

Das neue kantonale Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und das Archivwesen und die dazugehörende Verordnung, die im Juli 2008 in Kraft treten, verstärken den Datenschutz und regeln für alle öffentlichen Organe die Pflicht zur aktiven Information der Bevölkerung und zur Information auf Nachfrage hin. Daraus ergeben sich für die Landeskirche und ihre Organe wesentliche Konsequenzen. Denn zu diesen öffentlichen Organen gehören auch Synodebüro, GPK, der Kirchenrat und die Kirchenpflegen der Kirchgemeinden, deren Sitzungen und Protokolle künftig öffentlich zugänglich wären. Die Synode verabschiedete einstimmig die entsprechenden Änderungen in der Kirchenordnung und zwei Reglementen, die Sitzungen und Protokolle von Kirchenrat und Kirchenpflegen als nicht öffentlich deklarieren. Für andere Gremien und Kommissionen ist die Vertraulichkeit bereits genügend geregelt.

Gegen Ende der eher kurzen Synodesitzung folgten verschiedene Informationen. Als erstes von Kirchenrat Urs Karlen über den geplanten Neubau für die Büros der Landeskirchlichen Dienste in Aarau, von Kirchenrat Konrad Naegeli über den Kongress «Ganz Mensch bis zum Tod» am 13. September im Kultur- und Kongresshaus Aarau und die anschliessende Gesprächssynode am 24. September sowie von Kirchenrätin Myriam Heidelberger Kaufmann über die «Aktion Friedliche Euro 08» zusammen mit dem FC Aarau und dem Rotary-Club (mit einer mitreissenden Präsentation samt Videoclip).

Zum Schluss erläuterte Franziska Zehnder die Motion «Elektronische Mitgliederverwaltung für Kirchgemeinden» von ihr und sieben Mitunterzeichnenden, die den Kirchenrat verpflichten wollte, aufgrund der zukünftigen kantonalen Datenbank für Einwohnerinnen und Einwohnern eine landeskirchliche Mitgliederdatenbank für alle Kirchgemeinden zu führen. Damit sollte einerseits der Datenaustausch zwischen politischen und Kirchgemeinden einheitlich und zuverlässig geregelt und andererseits die Qualität der kirchlichen Mitgliederverwaltungen, die in den Gemeinden sehr unterschiedlich geführt werden, gesichert werden. Kirchenrat Martin Keller erklärte, warum der Kirchenrat die Anliegen der Motionäre uneingeschränkt befürwortete, sie aber aus juristischen (Datenschutz) und praktischen (Verzögerungen, nicht aktueller Daten) Gründen nicht auf dem Umweg über eine kantonale Datenbank verfolgen wolle.

Der Datenaustausch solle auch künftig am besten auf lokaler Ebene erfolgen. Der Kirchenrat setze sich aber im Kontakt mit staatlichen Stellen für einen gesicherten Datenaustausch ein und überprüfe gleichzeitig die unterschiedlichen Formen und Probleme der kirchgemeindlichen Mitgliederverwaltungen. Aufgrund dieser kirchenrätlichen Auskunft wurde die Motion zurückgezogen, und Synodepräsident Daniel Hehl konnte die Sitzung vor noch weitgehend gefüllten Rängen schliessen.

verfasst von
ria / Frank Worbs