Bettagsmandat des Regierungsrates und der Aargauer Landeskirchen

Bettagsmandat 2011: Vom Wert der Gemeinschaft in der wirklichen Welt

Veröffentlicht am 12. September 2011

Der Regierungsrat und die Landeskirchen des Kantons Aargau geben jedes Jahr zum Eidgenössischen Bettag abwechselnd einen Aufruf an die Aargauer Bevölkerung heraus. In diesem Jahr hat der Aargauer Regierungsrat den Text des Bettagsmandats verfasst.

Unser Leben wird immer individueller und virtueller. Rund 700 Millionen Menschen sind heute bei der Onlineplattform «Facebook» registriert. Tendenz steigend. Viele davon tauschen sich über Landesgrenzen und Kontinente hinweg aus, geben private Details aus ihrem Leben global Preis und akzeptieren Leute als «Freunde», die sie noch nie von Angesicht zu Angesicht getroffen haben. Dagegen bekunden traditionelle Gemeinschaften aus der wirklichen Welt heute vielfach Mühe, sich zu behaupten. Diverse Vereine, Verbände, Parteien, Genossenschaften leiden unter Mitgliederschwund; tun sich schwer damit, genügend Nachwuchs zu finden. Auch ganz grosse Institutionen wie die Landeskirchen oder der Staat wünschen sich eine wieder regere Anteilnahme am Gemeinwesen – damit der Wert und die Werte erhalten bleiben, welche Gemeinschaften aller Art über Jahrzehnte und Jahrhunderte geschaffen haben.

Uns geht es gut. Wir leben in Wohlstand und Sicherheit und geniessen zahlreiche persönliche Freiheiten. Dazu gehört zum Beispiel auch das Recht auf freie Meinungsäusserung, auf uneingeschränkte Kommunikation. Viele gesellschaftliche, politische, kulturelle oder wirtschaftliche Errungenschaften sind uns längst zur Selbstverständlichkeit geworden. In verschiedenen Ländern müssen die Menschen dagegen auch heute noch – oft unter Einsatz von Leib und Leben – um die elementarsten Grundrechte kämpfen. Facebook, Twitter und andere virtuelle Plattformen helfen ihnen zwar dabei, die Kräfte zu bündeln und zu mobilisieren. Die wahre Macht und entscheidende Wirkung der Gemeinschaft wird jedoch nach wie vor in der wirklichen Welt entfaltet, in den Kundgebungen auf Strassen und Plätzen, im Zusammenstehen und Zusammengehen, im gemeinsam manifestierten Willen, etwas zu verändern und zu gestalten.

Die Kraft der Gemeinschaft braucht es aber nicht nur in den Phasen des Aufbruchs und der grossen Veränderungen. Noch viel mehr braucht es sie,
wie die Geschichte unseres Landes, unseres Kantons zeigt, um Erkämpftes und Erreichtes dauerhaft zu wahren. Entscheidend ist dabei die Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gemeinschaft. Sie wahrzunehmen, ist mehr als das Bezahlen von Steuern und Jahresbeiträgen
oder der Mausklick auf einen «Gefällt-mir»-Knopf im Internet. Es braucht die Bereitschaft zum persönlichen Engagement: Freizeit, Arbeitskraft,
Anteilnahme oder Solidarität zu spenden – auf Kosten der individuellen Freiheit oder der Zeit, die man sonst vor dem Fernseher oder im Internet
verbringen würde.

Zum Glück gibt es bei uns noch immer sehr viele Menschen, die bereit dazu sind, auf diese Weise ihre Pflichten, ihre Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft zu erfüllen, aktiv bei Vereinen, Parteien, gemeinnützigen Organisationen, kulturellen Institutionen, der Feuerwehr, beim Militär usw. mitzumachen.

Der Bettag und das Bettagmandat sind eine gute Gelegenheit, Ihnen dafür Dank und Anerkennung zu zollen. Und die andern Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu zu motivieren, ebenfalls ihre Pflicht und Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft wahrzunehmen. Das kann zum Beispiel durch ein wieder vermehrtes Mitmachen in den Landeskirchen oder ähnlichen Gemeinschaften sein. Die Institution Kirche leistet nach wie vor enorm wichtige Gemeinschaftsarbeit auf den verschiedensten Gebieten. Dazugehören unter anderem auch Massnahmen und Angebote gegen die menschliche Vereinsamung – etwas, das gerade in unserer immer individueller und virtueller werdenden, voll vernetzten Welt immer wichtiger wird.

verfasst von
Regierungsrat des Kanton Aargau