Danken öffnet die Augen für das, wofür Sorge blind macht

Bettagsmandat 2014 der Aargauer Landeskirchen und der Aargauer Regierung

Veröffentlicht am 16. September 2014

Der Regierungsrat und die drei Landeskirchen des Kantons Aargau geben abwechselnd jedes Jahr zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag einen Aufruf an die Aargauer Bevölkerung heraus. In diesem Jahr wird der Text des Bettagsmandats von den drei Aargauer Landeskirchen verantwortet

Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag bietet uns seit über 200 Jahren Gelegenheit für einen Augenblick zu danken und über die Situation unseres Landes, über das Zusammenleben in unserer Gesellschaft nachzudenken.

Unser Land steht vor vielfältigen Herausforderungen: Da sind die politischen und wirtschaftlichen Signale aus Europa, der nicht nachlassende Druck auf die Migrations- und Flüchtlingspolitik und ein sich weiter polarisierendes innenpolitisches Klima. Viele Menschen machen sich Sorgen. Interessanterweise kommt der Begriff «Sorge» in ganzverschiedenen Tätigkeiten vor: Wir «sorgen vor», wir «besorgen» etwas, «versorgen» uns oder andere, wir «tragen Sorge» zu etwas, bevor wir es dann «entsorgen». Wenn wir «uns sorgen», dann beschäftigen wir uns oft und vor allem mit uns selbst. Wir setzen uns mit unserer Gegenwart und unserer Zukunft unter einem negativen Vorzeichen auseinander: Entweder sind wir mit dem gegenwärtigen Zustand nicht glücklich und haben Grund zur Sorge oder es geht uns zwar gut, aber wir machen uns Sorgen, dass essich ändern könnte.

Wenn Flüchtlinge in die Schweiz kommen, dann prallen beide Arten von Sorge aufeinander. Auf der einen Seite sind die Menschen, die vor Krieg,Gewalt oder materieller Not fliehen mussten. Sie haben allen Grund zur Sorge. Viele von ihnen mussten alles zurücklassen, auch geliebte Menschen, Familienangehörige, Freunde.Auf der anderen Seite sind wir: Menschen, die in einem historischen Ausnahmezustand von Wohlstand und Sicherheit leben. Kaum irgendwo auf der Welt, und niemals zuvor in der Geschichte lebten Menschen so gut versorgt wie wir hier in unserem schönen Land. Wir haben allen Grund zur Dankbarkeit. Es geht uns so gut, dass wir manchmal befürchten, wir könnten nur noch verlieren. Zum Beispiel, wenn wir Menschen auf der Flucht in unserem Land Aufnahme gewähren. Oder wenn wir uns zu sehr für zu viele Menschen aus dem Ausland öffnen.

Die Sorge treibt Keile zwischen Menschen. In grosser Not kippt Sorge in Angst: Jeder wird sich selbst zum Nächsten. Im Wohlstand richtet Sorge Barrieren auf und trennt diejenigen, die haben, von denen, die nicht haben. Wenn wir uns ganz unmittelbar auf eine Situation, auf einen anderen Menschen einlassen, dann können alle Sorgen vergessen gehen: Das kann inder Stille sein und im Gebet, beim Lesen oder beim Hören von Musik. Daskann aber auch dann sein, wenn wir ganz bei anderen Menschen sind: Im Dienst am Mitmenschen, wenn wir helfen und umsorgen. Wo die Sorge in den Hintergrund tritt, öffnet sich Raum für Dankbarkeit. Danken öffnet uns die Augen für das, wofür die Sorge uns blind macht. Kommt aber die Sorgeum uns selbst dazwischen, reisst sie uns jäh aus dem Raum der Dankbarkeit heraus. Sie beeinträchtigt alle drei Dimensionen von Beziehungen, die grundlegend sind im Leben: Die Beziehung zu den Mitmenschen, zu Gott und zu uns selber.