Der Regierungsrat und die drei Landeskirchen des Kantons Aargau geben abwechselnd jedes Jahr zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag einen Aufruf an die Aargauer Bevölkerung heraus. In diesem Jahr wird der Text des Bettagsmandats von den drei Aargauer Landeskirchen verantwortet.
Im Kanton Aargau wurde dieses Jahr wieder ein Stück Kulturgeschichte geschrieben und erfolgreich in Szene gesetzt. „Mit Chrüüz und Fahne“ heisst das Landschaftstheater, welches in diesem Sommer fast 10‘000 Menschen zum Schloss Hilfikon gelockt hat. Es erinnert daran, dass sich anno 1712 zweimal 10‘000 Mann auf dem Feld zwischen Villmergen und Dintikon gegenüberstanden. Im einen Heer reformierte Berner und Zürcher, im anderen die katholischen Innerschweizer. Natürlich ging es bei diesem Krieg, wie bei allen Religionskriegen, nicht nur um das Ausfechten unterschiedlicher religiöser Auffassungen. Vorab ging es um Interessengegensätze, entstanden aus unterschiedlichen konfessionellen Zuordnungen, letztlich aber um die Vormachtstellung innerhalb der alten Eidgenossenschaft.
Dass konfessionelle Unstimmigkeiten dazu herhalten mussten, einen Bruderkrieg zu rechtfertigen, das stimmt uns heute nachdenklich und lässt uns schnell die entlastete Haltung der Nachgeborenen einnehmen: „Ja, das war halt vor 300 Jahren noch so…“ Dabei verlieren wir gerne denBlick für die konfessionellen und religiösen Spannungen in unserer Zeit, für die aktuellen Krisenherde auf dieser Welt, wo die Glaubensfrage noch immer über Tod oder Leben entscheidet.
Dabei wäre es so viel entspannender, die Gemeinsamkeiten der Religionen und Konfessionen zu entdecken, als immer und immer wieder die Unterschiede zu betonen. Oder betrachten wir die Ökumene doch einmal vordem Hintergrund ganz wesentlicher Fragen: Gibt es eine rein reformierteHaltung zur Frage, ob Asylsuchende Anspruch auf Sozialhilfe haben? Gibtes eine explizit christkatholische Antwort darauf, ob Exit freien Zugang erhalten soll in Alters- und Pflegeheime? Gibt es eine nur römisch-katholische Meinung dazu, wie die Schöpfung bewahrt werden soll?
Die Religionen weisen eine reiche Erfahrung auf im Umgang mit solch ethischen Problemstellungen. Es ist eine Aufgabe der Kirchen, sich zu Lebensfragen zu äussern. Wenn sie dies und ihr weiteres Engagement verstärkt gemeinsam tun, dann werden sie auch verstärkt gehört, wahr- und ernst
genommen. In der Folge des Zweiten Villmergerkrieges wurde der Aarauer Landfrieden geschlossen. Die paritätische Anerkennung beider
Konfessionen ebnete den Weg für ein friedvolles Miteinander. Seither ist, wann immer Religionen oder Konfessionen dazu missbraucht werden,
Machtkämpfe auszutragen, die Erinnerung an 1712 gefragt. Dann sind gerade Christinnen und Christen aufgefordert, im Glauben zusammenzustehen, die Einheit in der Vielfalt zu leben und das Verbindende für die gesamte Gesellschaft erlebbar zu machen.