Medienbericht von der kirchlichen Arbeit im Asylzentrum Bremgarten vom Dienstag, 10. Dezember 2013

Erster Erfahrungsbericht der zwei Fachpersonen für Sozialdiakonie und Seelsorge, die seit vier Monaten im Asylzentrum Bremgarten AG arbeiten

Veröffentlicht am 10. Dezember 2013

Medienmitteilung – Seit fast vier Monaten arbeiten die reformierte Sozialdiakonin Marie Eve Morf und ihr katholischer Kollege Jaime Armas im Auftrag der Aargauer Landeskirchen im Bundesasylzentrum Bremgarten. Mit Phantasie und Tatkraft begleiten sie als Seelsorgende Menschen ohne Heimat in schwierigen Zeiten – manche nur für ein paar Tage andere für Wochen.

Bundesasylzentrum Bremgarten Jaime Armas Marie Eve Morf
Die beiden Seelsorgenden im Asylzentrum Bremgarten: Jaime Armas und Marie Eve Morf Reinhold Bruder

Keiner weiss, ob er morgen noch da ist. Keine Frau, kein Kind und keiner der vielen jungen Männer aus Nordafrika, Eritrea, Äthiopien oder Afghanistan. Einer von ihnen hat sich sehnlichst ein Schachspiel gewünscht. Marie Eve Morf überreicht es ihm voll Freude. Am nächsten Tag wird er ausgewiesen. Ob das vorbereitete Treffen mit einer Klasse der Kantonsschule Wohlen stattfinden kann, ist unsicher, weil die Asylsuchenden nicht wissen, ob sie dann noch da sind.

Die Gesuchstellenden kommen von einem der Bundesempfangszentren in das Bundesasylzentrum Bremgarten. Durchschnittlich sechs bis acht Wochen bleiben die zirka 130 Menschen, davon 80 Männer, in der Truppenunterkunft. Für manche ist das eine neue Erfahrung, andere sind schon Jahre auf ihrer Odyssee durch europäische Länder und hoffen auf Asyl in der Schweiz. Rund 95% der Asylgesuche der in Bremgarten untergebrachten Menschen werden aber abgewiesen, die meisten, weil aufgrund des Dublin-Verfahrens ein anderer europäischer Staat zuständig ist. Für sie ist Bremgarten nur ein Warteraum vor der nächsten Etappe. Der Bund beschäftigt für das Zentrum zwei Firmen; die eine sorgt für die Sicherheit, die andere für die Betreuung.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Doch das reicht nicht. Zwar sind so die Gesuchstellenden bewacht und versorgt, aber Menschen leben bekanntlich nicht vom Brot allein. Deshalb haben die Aargauer Landeskirchen eine 90%-Stelle geschaffen, die sich die pensionierte reformierte Sozialdiakonin Marie Eve Morf und der römisch-katholische Sozialarbeiter und Sozialpädagoge Jaime Armas teilen. Ihre Arbeit ist unter den gegebenen Bedingungen alles andere als einfach. Viele Asylsuchende haben ihre Hoffnung verloren. Sie wissen, dass sie wenig Chancen auf Asyl in der Schweiz haben, dass sie weiterziehen müssen in eine ungewisse Zukunft. Die Aufgabe der Seelsorgenden ist es, auf ihre gegenwärtige Situation einzugehen, ihnen in dieser kurzen Zeit gute Erfahrungen zu ermöglichen, „Nachbarn des Augenblicks“ (Siegfried Müller) zu sein.

„Die Hauptaufgabe ist Präsenz“, sagen beide Seelsorgenden übereinstimmend. Nicht im Büro sitzen und warten, bis jemand kommt, sondern draussen auf die Menschen zugehen, ihnen zuhören und mit ihnen ins Gespräch kommen – auf Englisch, Französisch oder Spanisch oder mit Hilfe eines vertrauenswürdigen sprachkundigen Mitbewohners. Es kann darum gehen, sie auf die nächste Station in Italien oder in Deutschland vorbereiten, oder eine Beratung beim Netzwerk Asyl oder bei der Rechtsberatung für Asylsuchende des HEKS vermitteln.

Bibel, Gebetsteppich und Buddha im Gebetsraum

Jeden Samstagabend findet das Evening Prayer statt. Da finden sich im improvisierten Gebetsraum ein halbes Dutzend Menschen ein. Orthodoxe Eritreer lesen in der Bibel, beten und singen, ein Muslim breitet seinen Gebetsteppich aus, ein Buddhist kniet versunken. Eine Person des Seelsorgeteams gestaltet den Rahmen des halbstündigen Gebets. Etwa 70% der Gesuchsteller sind Muslime, viele von ihnen säkularisiert – wie die Christen.

Ebenso wichtig wie die Seelsorge ist die Diakonie. Dabei kommt Marie Eve Morf ihre langjährige Tätigkeit in der reformierten Kirchgemeinde Bremgarten-Mutschellen zugute. Sie fördert Begegnungen zwischen Asylbewerbenden und Menschen aus der Stadt und den Kirchgemeinden, und sie initiierte Kleidersammlungen in beiden Kirchgemeinden. Die Beauftragten helfen auf diese Weise dem Betreuungsteam, die Asylsuchenden gut durch den Winter zu bringen. Sie bemühen sich auch um Spielzeuge und Möbel. Am 23. Dezember wird Weihnachten gefeiert. Die Christen laden die Andersgläubigen ein. Alle bekommen ein Geschenk: Katholische und reformierte Frauen stricken Halstücher für Gross und Klein. An der Feier bei feinem Getränk und Weihnachtsguetsli werden die Geschenke verteilt. Man sieht und hört es den beiden an: Sie leisten ihren Dienst an den fremden und weiterziehenden Menschen mit Feuer und Beharrlichkeit, mit Überzeugung und Empathie –, als Nachbarn, Nachbarn des Augenblicks.

verfasst von
ria / Reinhold Bruder