1996 wurde in der Reformierten Landeskirche Aargau das fünfteilige Modell Pädagogisches Handeln (PH) in Kraft gesetzt und mit dem Reglement über das Pädagogische Handeln (SRLA 431.100) ab 1997 für alle Kirchgemeinden für verbindlich erklärt. Seit Schuljahr 2003/2004 muss jede Kirchgemeinde über ein PH-Konzept verfügen. Mit einer Erfassung aller PH-Konzepte im Aargau 2013 wollte der Kirchenrat die Umsetzung des PH-Modells evaluieren, um sich ein umfassendes Bild verschaffen.
In einer Kantonalkirche mit grosser Gemeindeautonomie zu einem einheitlichen und für alle Kirchgemeinden verbindlichen Modell Ja zu sagen, war damals ein Meilenstein für das Pädagogische Handeln in der Aargauer Landeskirche. Das Modell bietet klare verbindliche Leitlinien, die in einem Reglement festgehalten sind, lässt aber für die konkrete Ausgestaltung in den Gemeinden viel Spielraum. Viele Herausforderungen, vor welche das
Pädagogische Handeln der Kirche aktuell gestellt ist, sind offenkundig: ein starker Rückgang der Kinderzahlen in reformierten Kirchgemeinden,
finanzielle Einschränkungen, diverse Schulreformen mit ihren Folgen für den Religionsunterricht, eine abnehmende Relevanz der Kirche in der
Gesellschaft, und im Alltag der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Gerade für kleine Kirchgemeinden und für solche in der Diaspora ist es nicht einfach, sowohldem Modell PH wie auch der Situation am Ort gerecht zu werden.
Mit einer Erfassung aller PH-Gemeindekonzepte Ende 2013 wollte der Kirchenrat die Umsetzung des PH-Modells in den Aargauer Kirchgemeinden evaluieren und sich über den Stand der Angebote ein umfassendes Bild verschaffen. Ein Ziel der Abklärungen war es, herauszufinden, inwiefern für die
Landeskirchlichen Dienste im Bereich der Gemeindeberatungen beim PH Handlungsbedarf besteht. Die Fachstelle Kirchlicher Religionsunterricht hat dazu mit allen 75 Kirchgemeinden Kontakt aufgenommen, und ihre PH-Konzepte in schriftlicher Form gesammelt und ausgewertet. 10 Kirchgemeinden stehen aktuell in einem Überarbeitungsprozess ihres PH-Konzeptes und konnten für die Evaluation nicht berücksichtigt werden.
Ergebnisse der Erfassung und Evaluation
Für einen grossen Teil der Kirchgemeinden zeichnet sich das PH als Erfolgsmodell aus: In 38 der insgesamt 75 Gemeinden kommen Kinder, Eltern und Jugendliche in den Genuss eines vollständigen Angebots über alle 5 PH-Teile hinweg. Andere Gemeinden kämpfen aus verschiedenen Gründen entweder mit den verbindlichen Leitlinien oder mit den vorhandenen Spielräumen.
Die Erfassung der PH-Gemeindekonzepte hat einen klaren Handlungsbedarf in Bezug auf die zwei PH-Teile 3 und 5 ergeben: Eine offensichtliche
Überbewertung des PH4 (Konfirmandinnen und Konfirmanden) in vielen Gemeinden führt dazu, dass die Angebote im PH3 entweder quantitativ zu
gering (7 Gemeinden) und/ oder zusammen mit den Angeboten des PH4 als ein einziger verbindlicher PH-Teil angesehen werden (9 Gemeinden). Eine starke Fokussierung des gesamten PH auf die Konfirmation führt zudem dazu, dass in 19 Gemeinden (fast ein Viertel aller Gemeinden) eine Ausgestaltung der Feier «Chile-Fescht» im PH3 gänzlich fehlt. Diese Fokussierung entspricht zwar der volkskirchlichen Realität, jedoch nicht der Idee des PH-Modells.
In Bezug auf das PH5 kann festgestellt werden, dass 17 Gemeinden für diesen PH-Teil keinerlei Angebote aufführen. Ganz anders hingegen die fast vollständige Abdeckung des PH-Teils 1 zumindest bei den 65 antwortenden Kirchgemeinden: Lediglich in einer Gemeinde fehlt ein entsprechendes Angebot.
Nachfrage bei den Gemeinden im Sommer
Im Sommer dieses Jahres werden die PH-Verantwortlichen derjenigen Kirchgemeinden, welche dem landeskirchlichen Modell Pädagogisches Handeln nicht gerecht werden können, von Seiten des Kirchenrates um eine schriftliche Begründung und einen Ausblick auf die in ihrer Gemeinde geplante Entwicklung des PH gebeten. Diese Begründungen und Planungen werden die Grundlage einer fundierten und lösungsorientierten Beratung darstellen, die die Fachstelle Kirchlicher Religionsunterricht den Gemeinden anbieten wird.
Von Erfahrung und Beispielen lernen: «13plus» in Zofingen
Ein wichtiger Bestandteil eines guten Beratungsangebotes heisst Vernetzung. Gemeinden in ähnlichen Situationen miteinander ins Gespräch bringen oder von gelingenden Vorzeigemodellen erzählen, sind nicht zu unterschätzende Aspekte auf dem Weg einer Lösungsfindung. So soll das Beispiel zum PH4 «13plus» aus Zofingen als motivierender Abschluss dieses Überblicks über das Pädagogische Handeln in den Kirchgemeinden dienen: «13plus» beginnt mit dem Abschlussgottesdienst für die 6. Klasse, umfasst die Klassen 7 bis 9 und gliedert sich in drei Phasen: In der ersten Phase besuchen die Teenager 24 verschiedene Anlässe der Kirchgemeinde wie Jungscharnachmittag, Bazar, Gottesdienst, Lager und andere. Dabei werden Punkte gesammelt. Bis zur Konfirmation muss eine festgelegte Anzahl erreicht werden. Spezielle Anlässe sind dabei die 7 zu besuchenden Gruppentreffen, bei denen ein guter Gruppengeist, das Thema Kirche und das Überblicken des Punktesammelns im Zentrum stehen. Die Gruppen werden von Eltern geleitet, die sich zur Verfügung stellen und entsprechend geschult werden. Die zweite Phase ist ein Lager über Auffahrt. Die dritte Phase ist die eigentliche Vorbereitung zur Konfirmation in Wochenstunden oder Blöcken, je nach Wunsch der aktuellen Jahrgangsgruppe. «13plus» verbindet Katechese und Gemeindeleben, eröffnet den Teenagern die Möglichkeit, mit verschiedenen Mitarbeitenden der Kirchgemeinde in Kontakt zukommen, beinhaltet Elternarbeit und ist abwechslungsreich organisiert. Einige Teenager erscheinen als Jugendliche wieder im PH5, vorwiegend als Leitende in Lagern oder in der Gottesdienstband.