Medienmitteilung – Bei der Herbstsynode der Reformierten Landeskirche Aargau am Mittwoch, dem 15. November 2023, im Grossratssaal Aarau war der Verkauf der Immobilien auf dem Rügel das wichtigste Traktandum. Die anwesenden 137 Synodalen stimmten dem Verkauf nach kurzer Diskussion mehrheitlich zu. Zu etwas mehr Diskussionen führte die Frage, welcher Käufer den Zuschlag erhalten sollte. Das Ergebnis war am Ende jedoch klar: Die Q 11 AG erhielt 89 von 127 abgegebenen Stimmen.
Die anderen Geschäfte führten kaum zu Diskussionen: Das Budget wurde bewilligt, die Wahl von Céline Rickenbacher als Vertreterin in die Synode der Evangelisch-Reformierten Kirche Schweiz (EKS) war unumstritten, zwei Motionen und eine Interpellation wurden beantwortet.
In seinem Grusswort sprach Regierungsrat Alex Hürzeler davon, dass trotz Kirchenaustritten die Religionen eine wichtige Stütze der Gesellschaft seien, indem sie durch ethisch-moralische Werte Orientierung geben.
Budget 2024 und Finanzplan 2024 - 2027
Das Budget 2024 wurde mit einem unveränderten Zentralkassenbeitrag von 2.3 Prozent ohne grössere Diskussionen, mit nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen genehmigt. Kirchenrat Rolf Fäs erklärte, dass dank der in den Vorjahren eingeleiteten Sparmassnahmen ein mehr oder weniger ausgeglichenes Budget präsentiert werden könne – trotz der um 235’000 Franken tieferen Zentralkassenbeiträge sowie der von der Sommersynode beschlossenen Lohnerhöhungen für die Mitarbeitenden. Pfarrer Stefan Siegrist, Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK), sagte, er erachte den Aufwandüberschuss von 56’000 Franken auf das Gesamtbudget von etwa 11 Mio. Franken als vertretbar. Der Aufwandüberschuss wurde nochmals reduziert durch den Antrag von Roland Frauchiger, Thalheim. Er merkte an, dass die Rückstellungen von 50’000 Franken im Personalbereich nicht nötig seien, und beantragte, diese Position auf Null zu setzen. Dieser Antrag wurde mit 79 Ja-Stimmen, 46 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen angenommen.
Bezüglich des Finanzplans 2024-2027 forderte die GPK mehr Transparenz bei Massnahmen und Sparpaketen. Kirchenrat Rolf Fäs erläuterte, dass eine Kommission aus Kirchenratsmitgliedern und Mitarbeitenden der Landeskirche eingesetzt worden sei, welche sich mit der Steigerung der Erträge und der Senkung der Aufwendungen befassen soll. Die Synode nahm den Finanzplan mit zwei Gegenstimmen zur Kenntnis.
Voten des Kirchentrats und der Geschäftsprüfungskommission zum Verkauf der Immobilien auf dem Rügel
Um 10.30 Uhr stand das Haupttraktandum – der Verkauf der Immobilien auf dem Rügel – auf dem Programm. Synodepräsident Lutz Fischer trennte die beiden Anträge: Zuerst solle grundsätzlich über den Verkauf der Immobilien abgestimmt werden, danach einer der drei Bieter präferiert werden. Die Abstimmungen erfolgten schriftlich.
Sabine Zehnder unterstützte im Namen der Geschäftsprüfungskommission den Verkauf des Immobilienbestandes auf dem Rügel. Durch die notwendigen anstehenden Investitionen und die zurückgehende Nutzung des Rügels durch kirchliche Angebote werde das Kosten-Nutzen-Verhältnis zunehmend ungünstiger. Die bei einem Verkauf freiwerdenden finanziellen Mittel könnten die Kirchgemeinden im Rahmen einer Immobilienstiftung beim Unterhalt historischer Bausubstanz entlasten. Sabine Zehnder dankte dem Kirchenrat für die sorgfältig formulierte, gut begründete Ausgangslage, die Möglichkeit, zwischen drei Bietern zu wählen. Die GPK empfahl der Synode einstimmig, dem Antrag zum Verkauf der Rügel-Liegenschaften zuzustimmen und bei der Wahl des Bieters durch sorgfältiges Abwägen und sachliche Diskussionen zu entscheiden, wer den Zuschlag bekommen soll.
Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg sagte, der Verkauf der Immobilien mit ihrer 70-jährigen Geschichte sei nicht leicht. Der Bedarf nach dem Angebot des Rügels aus den Kirchgemeinden sei jedoch trotz der hervorragenden Arbeit der Pächter nur noch sehr klein. Die Landeskirche vernichte durch anstehende Investitionskosten daher Kapital auf dem Rügel. Die Zeit, sich vom Rügel zu trennen und die Liegenschaften in eine unternehmerische Organisation zu überführen, sei reif. Er bat darum, dem Verkauf grundsätzlich zuzustimmen. Bezüglich der drei Bieter erläuterte er die Empfehlung des Kirchenrats: Die Kasper Holding mit den jetzigen Pächtern wäre aus Sicht des Kirchenrats die ideale Käuferin, doch das Angebot der Kasper Holding sei das niedrigste. Deshalb sehe der Kirchenrat mit Bedauern davon ab, den Verkauf an die Kasper Holding zu empfehlen. Wenn die Synode sich für einen Bieter entschliesse, hätte die Kasper Holding jedoch dreissig Tage Zeit, auf den Preis des Bieters nachzuziehen. Christoph Weber-Berg empfahl aber, nicht auch diese Variante zu spekulieren.
Die meistbietende Firma BR Immobilien unter ihrem Eigentümer Herrmann Alexander Beyler sei zwar sehr präsent in der Region um den Hallwilersee. Aber Herr Beyeler sei neben seiner sehr erfolgreichen unternehmerischen Tätigkeit auch Honorarkonsul von Belarus. Er vertrete daher die konsularischen Interessen eines ausländischen Staates und müsse loyal gegenüber seinem Auftraggeber sein. Im Fall der weissrussischen Regierung könne der Kirchenrat keine Übereinstimmung mit den Werten der Landeskirche feststellen. Der Kirchenrat könne daher der Synode den Verkauf an die Firma BR Immobilien nicht empfehlen.
Die Firma Q11 als dritte Bieterin mit dem zweithöchsten Betrag sei daher die Empfehlung des Kirchenrats. Q 11 habe auch Erfahrung im Hotelbereich und werde den Rügel weiterhin als Tagungshotel, als Ort der Begegnung, der Erholung und des Austauschs betreiben. Q 11 strebe eine Zusammenarbeit mit dem Verein Careleaver Schweiz an – ein soziales Engagement, welches vom Kirchenrat gewürdigt wird.
Grundsatzentscheid über den Verkauf
Vor der Grundsatzabstimmung zum Verkauf des Rügels gab es vier kurze Wortmeldungen: Andrea Frei, Rein, sprach sich gegen den Verkauf aus: Der Rügel habe eine Seele, der Verkaufserlös hingegen nicht. Auch Sandra Campacci, Rein, sprach sich gegen den Verkauf aus. Der Rügel sei ausgelastet. Diesen Eindruck korrigierte Martin Richner, Koblenz: Er sei seit über 30 Jahren Synodemitglied und habe die ganze Entwicklung gesehen. Ausgebucht sei der Rügel mit Geschäftstreffen, nicht mit kirchlichen Veranstaltungen. Jetzt sei der Moment, der Kairos, um den Rügel zu verkaufen. René Beljean, Murgenthal, sprach davon, dass die «Rügel-Variationen» doch mit einem Dur-Akkord enden sollen und empfahl die Zustimmung zum Verkauf.
Bei 132 ausgeteilten Stimmzetteln stimmte die Synode dem Verkauf des Rügels mit 114 Ja- zu 17 Nein-Stimmen grundsätzlich zu.
Die Wahl des Bieters
Im zweiten Teil wurde diskutiert, in wessen Hände der Rügel verkauft werden soll. Hier kam es zu acht Wortmeldungen von Synodalen: Beat Urech, Birmenstorf-Gebenstorf-Turgi, sprach im Namen der Fraktion Lebendige Kirche von zwiespältigen Gefühlen gegenüber der Firma BR Immobilien und Herrn Beyelers Tätigkeit als Honorarkonsul für Belarus, die durch den Versand des Briefes von Herrn Beyeler an alle Synodalen nochmals verstärkt worden wären. Er empfahl daher den Verkauf an Q 11. Raffael Sommerhalder, Gränichen, sprach im Namen der Evangelischen Fraktion ein ähnliches Votum, äusserte Bedenken gegenüber der Firma BR Immobilien und Herrn Beyelers Tätigkeit als Honorarkonsul und empfahl den Verkauf an Q 11. In dieselbe Richtung ging das Votum von Martin Richner, Koblenz: Die Nachfolge Jesu sei die Grundlage für ethisches Handeln der Kirche. Roland Frauchiger, Thalheim, sagte, man dürfe kein einseitig negatives Bild von Herrn Beyeler zeichnen. Für ihn wäre es ethisch vertretbar, dem Meistbietenden zu verkaufen. Jan Niemeier, Seengen, sagte, die Einteilung in Gut und Böse greife zu kurz, sonst hätte Jesus auch das Haus des Zachäus nicht betreten. Man solle auf Doppelmoral verzichten und einen Verkauf an die Firma BR Immobilien in Betracht ziehen. Andrea Frei, Rein, äusserte sich in ähnliche Richtung: Im Brief habe die Firma BR Immobilien sehr sympathisch dargestellt, was mit dem Rügel geplant sei. Angesichts der finanziellen Situation der Kirche sei es nötig, das maximal Mögliche bei einem Verkauf herauszuholen. Das Amt eines Honorarkonsuls sei ehrenwert, da dadurch Landsleute aus Belarus in der Schweiz unterstützt würden. Doris Lüscher, Zofingen, widersprach: Um Landsleute zu unterstützen, müsse man nicht Honorarkonsul sein. Wir sollten nicht – wie im Roman der Besuch der alten Dame – Unrecht zu Recht verbiegen. Sandra Campacci, Rein, äusserte ihren Verdacht, dass am Ende die Kasper Holding von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen werde und die Diskussionen daher ohnehin hinfällig seien. Nach Worten von Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg, der nochmals den Verkauf an Q 11 empfahl, wurden die Stimmzettel verteilt.
Von den 127 verteilten Stimmzetteln entfielen 7 Stimmen auf die bestehenden Pächter, die Kasper Holding AG, die mit 3'150’000 Franken das niedrigste Angebot gemacht hatten. BR Immobilien AG, die mit 5'000’000 Franken das höchste Angebot gemacht hatte, erhielt 28 Stimmen. Q 11 AG, deren Angebot von 4'004’000 Franken vom Kirchenrat empfohlen worden war, erhielt 89 Stimmen. Damit wurde das absolute Mehr bereits im ersten Wahlgang erreicht. Die Synode folgte damit der Empfehlung des Kirchenrats und gewichtete ethische Entscheidungskriterien höher als den finanziellen Verkaufserlös. Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg zeigte sich im Anschluss an die Synode erleichtert: «Natürlich bin ich froh, dass die Synode der Empfehlung des Kirchenrats gefolgt ist. Noch mehr freut mich aber, dass sich die Synode durch die kontroverse, aber faire Diskussionen eine eigenständige Meinung gebildet und eindeutig entschieden hat.»
In einer Schlussabstimmung wurde nochmals die Zustimmung zum Gesamtpaket – dem grundsätzlichen Verkauf des Rügels an Q11 – abgefragt: Die Synode stimmte mit grosser Mehrheit, ohne Enthaltungen und mit nur 17 Gegenstimmen dem Verkauf der Immobilien an Q11 zu. Die Diskussionen zum Verkauf der Liegenschaften auf dem Rügel gingen damit weniger kontrovers und zügiger als erwartet über die Bühne.
Zwei Motion, eine Interpellation und Informationen aus dem Kirchenrat
Die Motion Brauchart/Zogg, Kinder auch ohne Kirchenzugehörigkeit der Eltern zu taufen, wurde ohne Diskussionen und ohne Rechtsänderung mit grosser Mehrheit, 2 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen abgeschrieben. Die Motion zur Aufhebung der Residenz- und Wohnsitzpflicht für Ordinierte wurde von Motionär Andreas Graber zurückgezogen, nachdem Kirchenrätin Catherine Berger erklärt hatte, dass diese Reglungen im Rahmen der Kirchenreform 26/30 entsprechend angepasst würden. Die Interpellation von Andreas Graber zur Neudefinition der Publikationsorgane wurde von Kirchenrat Gerhard Bütschi mit der Empfehlung beantwortet, Erlasse, Beschlüsse und Wahlresultate der Kirchgemeinden zukünftig hybrid – digital und in Print – zu publizieren, um Beteiligung zu ermöglichen und um als Kirche auch in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein. Im letzten Traktandum informierte Kirchenrätin Barbara Stüssi-Lauterburg über Aktuelles aus dem Kirchenrat: Ein Businessplan zur Errichtung einer Immobilienstiftung, in die Kirchgemeinden ihre denkmalgeschützten Kirchengebäude einbringen können, sei in Arbeit. Die Rechtsformänderung der Heimgärten gehe wie geplant voran, sodass einer Vorlage an der Synode im Sommer 2024 voraussichtlich nichts im Wege steht.
Grusswort von Regierungsrat Alex Hürzeler
Am Ende der Synodesitzung überbrachte Regierungsrat Alex Hürzeler, Vorsteher des Departements Bildung, Kultur und Sport (BKS), ein Grusswort – direkt aus der Regierungsratssitzung. Er dankte für die konstruktive Zusammenarbeit im Kanton Aargau, die vom Regierungsrat sehr geschätzt werde. Trotz Kirchenaustritten seien die Religionen eine wichtige Stütze der Gesellschaft, indem sie durch ethisch-moralische Werte Orientierung geben.