Medienmitteilung – Sie ist in ihrer Art schweizweit einzigartig: Die Dokumentation der 93 reformierten Aargauer Kirchen auf weit über 1000 Webseiten auf www.ref-kirchen-ag.ch. «Einzigartig durch ihre Vollständigkeit, Einheitlichkeit und Ausführlichkeit», wie es Johannes Stückelberger, Kunsthistoriker und Dozent für Religions- und Kirchenästhetik an der Universität Bern, im Rahmen der Abschlussfeier zur Onlinedokumentation am 17. September in der reformierten Kirche Rupperswil formulierte.
«Dazu kommt der persönliche Charakter der Beschreibungen», fuhr Johannes Stückelberger in seiner Würdigung fort. «Im Unterschied zur Anonymität anderer Wissensvermittlungen sind bei den hier zu würdigenden Texten die Persönlichkeiten der Autorinnen und Autoren zu erkennen, mit ihren Vorlieben und ihrem speziellen Fachwissen.» Schliesslich fand der in Unterkulm aufgewachsene Pfarrerssohn, der sich die Zeit nahm, die Dokumentation vollständig anzuschauen: «Eine Spezialität sind überdies die Legenden. Sie machen deutlich: Beim Kirchenbau geht es nicht nur um Mauern, damit verbinden sich Geschichten, wie sie nur das Leben schreibt.»
Weit mehr als ein Kostenfaktor
Dass die Legenden und Impressionen besonders beliebte Rubriken sind, konnte auch die wissenschaftlich-publizistische Projektleiterin Barbara Tobler feststellen: «Hier finden sich zahlreiche Geschichten der inoffiziellen Art zum Staunen und Schmunzeln.» Und sie machte mit wenigen Stichworten gleich Lust auf mehr: Rabiate Handwerker von anno 1689; beim Güllen unterbrochene Pfarrherren; schlafende Konfirmanden; Dohlen und Fledermäuse; sensationelle Dacheinstürze. «Das Hauptanliegen dieser Onlinedokumention sehe ich nicht darin, einer internationalen Fachgemeinde kunsthistorisches Wissen anzubieten», ordnete Johannes Stückelberger das digitale Nachschlagewerk ein. «Die Website erfüllt vielmehr ihren Sinn, wenn sie dazu beiträgt, in den Kirchgemeinden Identität zu stiften. Eine Identität, basierend auf einer gemeinsamen Geschichte, von der die Kirchenbauten erzählen.» Dies unterstrich ebenso Frank Worbs, Leiter Kommunikation der Reformierten Landeskirche Aargau und Gesamtleiter des Dokumentationsprojekts: «Die Kirchen sind nicht nur Steine und Holz, Putzobjekte oder Kostenfaktoren in den Rechnungen der Kirchgemeinden. Die Kirchen sind auch architektonische Meisterleistungen, kunsthistorische Schätze, Zeugen der Geschichte und Mittelpunkt eines Dorfes. Und sie sind Zeugen des gelebten Glaubens.» Kurz und bündig fasste es Barbara Tobler zusammen: «Jede Kirche ist etwas Besonderes, sozusagen eine architektonische Einzelpersönlichkeit, ein Solitär.»
Allen Widerständen zum Trotz
Den 93 reformierten «Einzelpersönlichkeiten» ein Gesicht zu geben, dies war Aufgabe der Autorinnen und Autoren sowie des Fotografenteams. Sie alle gingen mit Sachverstand und Herzblut ans Werk, um insbesondere dem Raum zu geben, was Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg in seiner Einleitung zur Abschlussfeier der Dokumentation in Rupperswil mit «der geistlichen Dimension der Räume» umschrieb. Wie dies möglich wurde, erzählte Projektleiterin und Autorin Barbara Tobler: «Immer wieder habe ich während der Arbeit gestaunt über die engagierte und emotionale Verbindung von Menschen mit ihrer Kirche. Oft verdankte sich das gewisse Etwas in den späteren Texten nicht dem vorgängigen Literaturstudium, sondern dem Insiderwissen der Ansprechpersonen: Sigristinnen und Pfarrer, Mitglieder von Kirchgemeinden.» Ähnlich tönten die Rückmeldungen der weiteren Autorinnen und Autoren, die in manchen Gemeinden anfänglich auf Widerstand gegenüber dem Internetprojekt stiessen, dennoch beharrlich ihres Weges gingen und letztlich ein überzeugendes Resultat abliefern konnten: Germanistin und Kunsthistorikerin Béatrice Koch, Pfarrer Raffael Sommerhalder, Musikwissenschaftler und Kunsthistoriker Matthias Walter und Markus Widmer-Dean, freischaffender Historiker. Ihre Artikel wurden ergänzt durch die Beiträge der Gastautoren Jürg Andrea Bossardt, Peter Hoegger, Edith Hunziker und Johannes Stückelberger.
Die Dokumentation startet durch
Im Juni 2012 gab die Synode der Reformierten Landeskirche Aargau grünes Licht zur Onlinedokumentation. Sechs Jahre später konnte das Projekt mit 93 porträtierten reformierten Kirchen im Aargau vorläufig abgeschlossen werden. «Obwohl hier in Rupperswil der Abschluss der Dokumentation gefeiert wird, sollen sich Nachfolgende noch lange mit ihr beschäftigen, sie weiterpflegen und ergänzen. Somit beginnt mit diesem heutigen Abschluss der Blick in die Zukunft», wünschte sich Christoph Weber-Berg. «Es werden Zeiten kommen, da vermutlich auch im Aargau die Finanzen knapp werden und man darüber nachdenken wird, die eine oder andere Kirche anders, am besten zusammen mit anderen, zu nutzen», gab Johannes Stückelberger zu bedenken. Dies werde leichter gelingen, wenn nicht nur die Kirchgemeinde, sondern das ganze Dorf weiss, was es an seiner Kirche hat. «Kirchen gehören der Gesellschaft», so der Kunsthistoriker. «Die Gesellschaft trägt mit Verantwortung für sie. Damit sie diese Verantwortung wahrnehmen kann, braucht es Informationen. Insofern hat die Onlinedokumentation der reformierten Kirchen im Aargau einen gesamtgesellschaftlichen Wert.»