Medienmitteilung – Gestern Abend erhielten 108 Absolventinnen und Absolventen an der Zertifikatsfeier im Kultur und Kongresshaus Aarau ihre Auszeichnungen für den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung in Palliative und Spiritual Care der Aargauer Landeskirchen – ein Rekordjahr für diese Dienstleistung der Kirchen im Aargau. An der gleichzeitig stattfindenden Fachtagung für Palliative Care referierten drei renommierte Fachpersonen zum Thema «Leben um jeden Preis».
Noch nie gab es so viele Absolventen der verschiedenen Aus- und Weiterbildungen der Aargauer Landeskirchen im Bereich Palliative Care wie 2017. Nicht weniger als 108 Personen erhielten gestern Abend an der Abschlussfeier im Kultur und Kongresshaus Aarau ihr Zertifikat. Im letzten Jahr waren es 80, im Jahr davor 46. «Es ist grossartig, dass wir immer mehr Leute haben, die bei uns die Aus- und Weiterbildungen absolvieren und die sich für schwer kranke und sterbende Menschen einsetzen möchten», freut sich Ausbildungsleiterin Karin Tschanz, die den mehrstufigen Lehrgang vor acht Jahren ins Leben gerufen hatte.
Von den 108 Zertifizierten haben 51 den Basiskurs A2 in Palliative Care absolviert und 52 den darauf aufbauenden Vertiefungskurs B1. Ausserdem haben in diesem Jahr erstmals fünf Absolventinnen den neuen anspruchsvollen Ausbildungslehrgang B2 abgeschlossen, der auf eine leitende Funktion in Palliative Care zielt. Dieses Zertifikat entspricht einem CAS-Studiengang an einer Fachhochschule und wird in Kooperation mit Careum Weiterbildung in Aarau und der Kalaidos Fachhochschule Zürich angeboten.
Seit mittlerweile acht Jahren bietet die Reformierte Landeskirche Aargau die Ausbildungen in Palliative Care und Begleitung an, seit 2016 zusammen mit der Christkatholischen und der Römisch-katholischen Landeskirche. Das Gesundheitsdepartement des Kantons Aargau zahlt seit 2016 Weiterbildungsbeiträge an die Palliative Care Lehrgänge. Regierungsrätin Franziska Roth kam selbst zur Zertifikatsfeier und freute sich in ihrem Grusswort über die grosse Anzahl Absolventinnen und Absolventen und würdigte deren Einsatz.
Im Einsatz für schwer kranke und sterben Menschen
Aber nicht nur hinsichtlich der Anzahl der Ausgebildeten war das Jahr 2017 ein Rekordjahr für Palliative Care, sondern auch bei den geleisteten Einsatzstunden der Freiwilligen im Begleitdienst der Aargauer Landeskirchen. Laut Einsatzleiterin Claire Huwyler zeichnet sich eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2016 ab, in dem ca. 150 Personen 8‘200 Einsatzstunden in der Begleitung von schwer kranken und sterbenden Personen geleistet haben.
Kritik am Gesundheitssystem – Referate der Fachtagung
Die jährliche Zertifikatsfeier findet immer im Rahmen einer Fachtagung statt, zu der eigens Andreas Heller, Professor für Palliative Care und Organisationsethik, aus Wien angereist war. Zum Thema Sorgekultur in der Leistungsgesellschaft hielt Heller gleich zu Beginn fest: «In unserem Gesundheitssystem werden die Menschen zu Objekten und Figuren, an denen wir Geld verdienen. Sie sind nur noch Mittel zum Zweck, und das ist eine bedrohliche Entwicklung.» In der Folge skizzierte er verschiedene Möglichkeiten und Ansätze, wie man das Sterben und die Sterbenden in unsere Gesellschaft besser integrieren kann. Als Schlüssel dafür sieht er das Vertrauen und die Verbundenheit zwischen den Menschen.
Während Andreas Heller vor allem den gesellschaftlichen Kontext betrachtete, fokussierte der zweite Redner, der Theologe und Ethiker Dr. Heinz Rüegger, auf die Sinnfrage, die mit zunehmendem Alter immer relevanter werde. «Insbesondere in einer Gesellschaft, in der viele danach streben, nicht zu altern und möglichst lange jung zu bleiben.» Ältere Menschen seien besser in der Lage, einen Sinn im Leben zu finden, als junge Leute, meinte Rüegger, der den Anwesenden einige Tipps gab, wie sie ältere Menschen bei der Sinnfindung unterstützen könnten: «Man muss akzeptieren, dass nicht jede einzelne Stunde des Lebens Sinn machen muss.»
Dr. theol. Ruth Baumann-Hölzle vom Institut Dialog Ethik in Zürich hielt in ihrem Referat «Leben um jeden Preis – sterben auf Abruf?» fest: «Es ist vermessen zu glauben, dass wir über den Tod verfügen können, auch wenn die Medizin heute sehr viele Möglichkeiten bietet und die Zahl der natürlichen Todesfälle stetig abnimmt.» Entsprechend wichtig sei es, dass die Patienten wieder vermehrt in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden, dass sie eine aktuelle Patientenverfügung haben und eine gut informierte Stellvertreterperson, die notfalls in ihrem Sinne entscheiden könne.