Sie gab viel zu diskutieren, zu schreiben und zu lesen: die Spitze der Oberentfelder Kirche, die scheinbar ohne äussere Einwirkung abbrach. Die genauen Ursachen kennen wir noch nicht. Was wir wissen ist, dass wir alle vor einer Katastrophe verschont geblieben sind. Die Spitze traf keinen Menschen und fiel rechtzeitig vor der für diesen Tag angesetzten Beerdigung vom Kirchturmdach.
War es Gott selber, der uns vor Schlimmerem bewahrte? Aus lauter Dankbarkeit sind wir geneigt, dies anzunehmen. Was aber, wenn doch ein Mensch von der herabfallenden Spitze getroffen worden wäre? Wäre dann auch Gott dafür verantwortlich?
Die gefallene Kirchturmspitze führt uns an eine uralte Frage heran, mit der sich gläubige Menschen auseinanderzusetzen haben: Ist es Gott selber, der Glück und Unglück zuteilt? Und wenn ja, was hat es mit den Menschen zu tun, die davon betroffen sind? Die Geschichte von Hiob berichtet davon: Ein untadeliger, frommer Mensch wird in seinem Leben von schwersten Prüfungen heimgesucht. Die Erkenntnis daraus: Das Unglück kann gute und schlechte Menschen treffen. Genauso das scheinbare Glück.
Aus solchen Geschichten lernen wir, dass die Frage: «Warum?» oft nicht weiterhilft. Wenn ich Glück habe und mich frage «warum?», dann ist es dumm und vermessen anzunehmen, ich hätte es verdient. Wenn mich das Unglück trifft, dann treibt mich die Frage nach dem «Warum?» schlimmstenfalls zur Verzweiflung.
Vor dem Hintergrund des Glaubens ist wohl die «Warum-Frage» gar nicht die richtige. Vielmehr ist es die Frage, ob der Glaube mich im Glück und im Unglück trägt. Genauso, wie im Unglück, kann nämlich der Glaube auch im Glück verloren gehen. Der Gott, der in meinem Glück vergessen geht, wird mir auch im Unglück keine Antworten geben. Der Gott hingegen, der uns in Glück und Unglück trägt und aus dessen Hand wir das Leben empfangen, ist der Gott, für den unsere Kirchen stehen – mit oder ohne Kirchturmspitze.