«Ich freute mich sehr darüber», antwortet Lilian Studer ohne zu zögern auf die Frage, wie es ihr ergangen ist, als die Reformierte Landeskirche Aargau sie kontaktierte mit dem Anliegen, sie als Botschafterin für die Kirchenreform 26/30 zu engagieren. Nicht nur als langjährige EVP-Politikerin ist ihr die Landeskirche ein Begriff.
Sie kennt die Reformierte Kirche im Aargau auch aus der konkreten Zusammenarbeit; beispielweise als ehemalige Geschäftsführerin des Blauen Kreuzes Aargau / Luzern oder als Präsidentin der Freiwilligenfachstelle benevol Aargau. «Aufgrund der bis herigen Berührungspunkte stehe ich künftig gerne mit meinem Namen für dieses Projekt hin. Ich bin parat für die Anliegen, die als Werbeträgerin der Kirchenreform auf mich zukommen.» Die Aufgabe ist so frisch, dass Lilian Studer noch nicht aus Erfahrung sprechen kann. Dennoch versteht sie sich als Botschafterin, die insbesondere Menschen, die nicht in das Projekt involviert sind, auf die Kirchenreform 26/30 aufmerksam macht. «Denn ich finde diesen Prozess wichtig und gut.» Die Nationalrätin und Ständeratskandidatin sieht sich zudem als Motivatorin: «Ich will die am Prozess Beteiligten anspornen, dran zu bleiben, und mich für ihren wertvollen Einsatz bedanken.»
Der Glaube trägt
Die christliche Grundhaltung wurde Lilian Studer von den Eltern vorgelebt. Nach wie vor ist der Glaube für sie nicht einfach gelebte Tradition, sondern spürbare Präsenz des Göttlichen, die trägt. Seit über zwanzig Jahren ist Lilian Studer in der Evangelischen Volkspartei aktiv. War schon Präsidentin der Jungen EVP, Aargauer Grossrätin, seit drei Jahren Nationalrätin und seit Juni 2021 Präsidentin der EVP Schweiz. Die Haltung, die ihrem politischen Wirken zugrunde liegt, beschreibt die 44-Jährige auf ihrer Website so: «Das Leben und die Schöpfung sind ein Geschenk Gottes. Diesem Geschenk ist Sorge zu tragen. Als Privileg und als Dienst sehe ich es somit, auf politischer Ebene in unserer Gesellschaft mitwirken zu dürfen. Mein Einsatz oder Wunsch, etwas zu bewegen, gilt insbesondere dort, wo Ungerechtigkeit und Schwierigkeiten herrschen, wo ich gesellschaftliche Veränderungs- und Unterstützungsmöglichkeiten sehe oder wo ich Wichtiges bewahren kann.» Ihr Leitbibelvers stammt aus Jeremia 29,7: «Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.»
Pfarramt im Co-Working-Space
«Ich sehe durchaus Parallelen bei den zentralen Fragestellungen von Politik und Kirche.» Mit den Stichworten «Sinn» und «Finanzen» bringt sie zwei Kernthemen auf den Punkt. «Sinn und Zweck der Kirche sind für mich unbestritten. Doch stellt sich natürlich die Frage, wie diese auf die gegenwärtige Zeit adaptiert werden können. Was brauchen die heutigen Menschen von der Kirche?» Die wortgewandte Wettingerin kommt in Fahrt: «Verkündigung ist nach wie vor zentral. Es stellt sich aber die Frage nach der Methode.» «Die Kirche handelt vielfältig und gesellschaftsrelevant wie zum Beispiel mit den Tätigkeitsfeldern HEKS oder Palliative Care.» «Nicht zuletzt die demografische Entwicklung führt zu immer mehr Einsamkeit – Kirche hingegen bietet Gemeinschaft.» «Ja, die Menschen brauchen Begleitung. Hier können wir uns an Jesus orientieren und auf die Menschen zugehen. Wie wäre es, würden kirchliche Mitarbeitende regelmässig ihr Büro in einen öffentlichen Co-Working-Space verlegen?»
Wider die Spassbremse
Die ausgebildete Lehrerin für Textiles Werken hat als Redaktorin beim «Fenster zum Sonntag» oft erlebt, dass Fernsehbeiträge dann überzeugend wirken, wenn darin Lebens- und Glaubenserfahrungen verknüpft werden. «Voraussetzung für das Gelingen solcher Sendungen war, auf das Vis-à-vis einzugehen, Vertrauen zu schaffen, sich dem Leben zu öffnen.» Und ganz wichtig: «Vieles was Kirche umgibt, wirkt ernsthaft. Darum gefallen mir Foren mit Spasseffekt wie etwa der FC Landeskirche.» Nicht nur auf analoger Ebene, genauso im digitalen Raum braucht die Kirche nach Ansicht von Lilian Studer Menschen, die es verstehen, auf andere zuzugehen und die kirchlichen Inhalte gekonnt zu vermitteln. «Nehmen wir die Kirchensteuern. Wer bezahlt, erwartet einen Gegenwert. Dieser muss kommuniziert werden.» Über allem wünscht sich die Kirchenreform-Botschafterin, dass im Prozess der Blick weniger nach innen, sondern vielmehr nach aussen gerichtet wird: «Die Botschaft der Kirche stimmt. Aber es darf nicht an der Verbindung zu den Menschen mangeln.»
Vom Glauben berührt werden
Lilian Studer versucht sich gedanklich ins Jahr 2030 zu stellen und zu formulieren, was sie sich rückblickend auf den Reformprozess wünschen würde: «Ich möchte Aufbruch spüren. Nicht nur auf Ebene Landeskirche, sondern vor allem an der Basis. Ebenfalls zentral wird sein, den Prozess weiter zu evaluieren, um nicht stehen zu bleiben.» Schliesslich findet die Kirchenreform Botschafterin: «Die Sinnfrage in unserer Gesellschaft ist gross. Dies gilt es als Kirche auszuhalten, darin zu bestehen. Wenn dies gelingt, können die Menschen auch künftig vom Glauben berührt werden.»