Bericht von der Synode vom 6. November 2013 im Grossratssaal in Aarau

Für weitere drei Jahre «Palliative Care und Begleitung» und gegen mehr Verbindlichkeit vor der Konfirmation

Veröffentlicht am 6. November 2013

Medienmitteilung – Das Projekt «Palliative Care, Bildung und Begleitung» wird nach der dreijährigen Pilotphase drei weitere Jahre bis Ende 2016 von der Reformierten Landeskirche in Eigenregie weitergeführt und mit jährlich 120'000 Franken finanziert. Das hat die Synode, das Parlament der Reformierten Landeskirche, am Mittwoch im Grossratssaal in Aarau an ihrer Herbstsitzung beschlossen.

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Synodepräsidentin Silvia Kistler (re.) nimmt zu Beginn der Sitzung fünf neue Synodale in Pflicht. Frank Worbs

In der Pilotphase 2011 bis 2013 wurde das Projekt «Palliative Care, Bildung und Begleitung» für die Ausbildung zur Begleitung sterbender und schwer kranker Menschen mit grossem Erfolg aufgebaut. Darüber waren sich die Synodalen und der Kirchenrat einig. Die Zahlen und persönliche Erfahrungen wie die des Synodalen Urs Jost aus Rheinfelden, der von seiner eigenen Ausbildung in der Sterbebegleitung begeistert berichtete, sprachen für sich. Bisher wurden 204 Personen ausgebildet, 144 Freiwillige und 60 Fachpersonen aus Pflege, Medizin, Seelsorge und Beratung. 102 Freiwillige sind zurzeit aktiv im Begleitdienst und haben 2011 und 2012 in insgesamt 7000 Stunden 546 schwer kranke und sterbende Menschen begleitet.

Die Zustimmung zur Weiterführung als dreijähriges Projekt mit jährlich 120 000 Franken aus der eigenen Kasse war dann auch fast einstimmig, obwohl der Kirchenrat immer noch keine Partner präsentieren konnte, die das Projekt auch finanziell mittragen. Die Verhandlungen mit dem Kanton Aargau und anderen Kirchen haben noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt. Nun hat der Kirchenrat für die Partnersuche Zeit bis November 2016, dann muss er der Synode das weitere Vorgehen beantragen.

Wie viel Verbindlichkeit zur Vorbereitung auf die Konfirmation?

Kontroverser war die Diskussion über eine Motion, die die «Stärkung des Pädagogischen Handelns in der Kirche» fordert, weil die heutigen weitgehend freiwilligen Unterrichtsangebote für Kinder vom Vorschulalter bis zur Konfirmation «die Tendenz zur sozialen Irrelevanz der reformierten Kirche fördern», wie die Motionäre schreiben. Martin Richner, Koblenz, erklärte für die fünf Motionäre, dass der Auftrag der Verkündigung des Evangeliums für junge Menschen in einer säkularen Welt von der Kirche viel stärker wahrgenommen werden muss. Die Motionäre wollten nicht das Grundmodell des Pädagogischen Handelns mit seinen fünf Teilen für alle Altersgruppen von 1 bis 25 Jahren in Frage stellen aber die zu weit gehende Freiwilligkeit. Dass nur der vierte Teil für 14 - 16-Jährige, der gezielt auf die Konfirmation vorbereitet, für die Zulassung zur Konfirmation verbindlich ist, reiche nicht. Auch der Teil 3 für 11 - 14-Jährige solle für die Konfirmation verbindlich werden.

Dass die im Teil 3 vermittelten Inhalte über den christlichen Glauben und die Bibel für die religiöse Sozialisation und Mündigkeit wichtig seien, bestreitete niemand, aber ob sie sich mit Verbindlichkeit besser vermitteln liessen – das war umstritten. Kirchenrätin Regula Wegmann, Dossierverantwortliche für das Pädagogische Handeln, lehnte die Motion im Namen des Kirchenrates ab. Sie betonte, dass es auch um den Aufbau guter Beziehungen mit den Jugendlichen gehe, «an die sie sich Jahre später noch gerne erinnern, und vermutlich nicht in erster Linie um Inhalte, Lehrpläne und Verbindlichkeit». Der Kirchenrat verstehe die Freiwilligkeit als grosse Chance, «auch im Teenageralter noch junge Menschen zu gewinnen, die vorher durch die Maschen des kirchlichen Angebotsnetzes gefallen sind. Diese Chance zählt mehr als ein Aufrechnen von absolvierten Pflichtstunden und verbindlichem Unterrichtsstoff.»

Andreas Wahlen, Oberentfelden, mahnte im Sinne der Motion, dass Jugendliche, die Teil 3 nicht besucht haben, bei der Vorbereitung zur Konfirmation grosse Lücken aufwiesen und Schwierigkeiten hätten. Christian Bader, Aarau, hielt dagegen, dass das Pädagogische Handeln nicht als Instrument zur Rettung der Kirche missbraucht werden dürfe, sondern die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen beachten müsse. Die Motion sei «nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung des Pädagogischen Handelns».

Klaus Utzinger, Zurzach, einer der Motionäre, ging schliesslich auf die mehrfach geäusserte Aufforderung ein und wandelte die Motion in ein Postulat um, das der Kirchenrat auch bereit war, entgegenzunehmen. Die Synode stimmte trotzdem darüber ab und überwies es mit 81 gegen 54 Stimmen. Nun kann der Kirchenrat die anderen Anliegen der Motion, die er teilweise als durchaus hilfreich anerkannte, differenziert bearbeiten: Die Forderungen nach «verbindlichen Lehrplänen für alle PH-Teile» und «eine Qualitätssicherung der ausgebildeten Lehrpersonen nach festen Kriterien». Die ebenfalls geforderte «Totalrevision des Reglements über das Pädagogische Handeln» ist aber vom Tisch.

Budget 2014 und Revisionen in der Rechtsordnung

Fast nichts zu diskutieren gab der vom Kirchenrat vorgelegte Voranschlag für die Zentralkasse der Landeskirche 2014, der weiterhin einen reduzierten Zentralkassenbeitrag der Kirchgemeinden von 2,3 % vorsieht. Die budgetierten Kosten von 11 414 100 Franken wurden mit einem geringen Ertragsüberschuss von 7000 Franken ohne Änderungsanträge und Gegenstimmen bewilligt. Der ebenfalls vorgelegte Finanzplan 2014 – 2017 zeigt allerdings auf, dass sich der reduzierte Zentralkassenbeitrag 2015 und 2016 nur mit einem Aufwandüberschuss von je ca. 500 000 Franken halten lassen wird.

Bei den Teilrevisionen von Kirchenordnung und Dienst- und Lohnreglementen für landeskirchliche Mitarbeitende, für ordinierten Dienste und für nicht ordinierte Mitarbeitende der Kirchgemeinden wurden drei Themen kontrovers diskutiert: Bei der Revision des Rechtswegs wurde Gesetz, dass Beschlüsse des Kirchenrats im Rekursfall nicht zuerst von der Schlichtungskommission sondern direkt vom Rekursgericht beurteilt werden. Die Synode folgte hier dem Antrag des Kirchenrats trotz eines Gegenantrags des Synodalen Hans Rudolf Suter, Zofingen, der im Sinne der Schlichtungskommission diese Änderung ablehnte und trotz eines Rückweisungsantrags.

Zu reden gab die neue Anmerkung in einem Reglement für die ordinierten Angestellten im Pfarramt und sozialdiakonischen Dienst, dass «eine Arbeitszeitkontrolle durch die Kirchenpflege oder die Anordnung von Präsenzzeiten in der Regel ausgeschlossen sind». Nach intensiver Diskussion folgte das Parlament dem Synodalen Roland Frauchiger, Thalheim, und strich die Bemerkung ersatzlos, obwohl Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg als Kompromiss die Präzisierung «engmaschige Arbeitszeitkontrolle» vorgeschlagen hatte.

Bei allen anderen Änderungen folgte die Synode dem Kirchenrat, ausser an einem Punkt: Sie machte ihren eigenen Beschluss vom Juni 2013 rückgängig und hob auf Antrag von Peter Baumberger, Umiken, die im Juni spontan beantragte Unvereinbarkeit von Dekanatsleitung und Synodemitgliedschaft wieder auf. Dekane und Dekaninnen dürfen auch weiterhin in die Synode gewählt werden.

Wahlen und weitere Geschäfte

Die Synode wählte mit überwältigendem Mehr Stefan Siegrist, Spreitenbach, Pfarrer und Ökonom, in die Geschäftsprüfungskommission der Synode, der er schon vor seinem Ortswechsel angehört hatte, sowie Pfarrerin und Dekanin Ruth Kremer-Bieri, Zofingen, als Aargauer Delegierte in die Abgeordnetenversammlung des Schweiz. Ev. Kirchenbunds. Zu Beginn der Synodesitzung nahm Synodepräsidentin Silvia Kistler fünf neue Synodale in Pflicht. 13 der 185 Synodesitze sind aber immer noch vakant.

Die Synode hat ausserdem beschlossen, dass die Reformierte Landeskirche Aargau der neu geschaffenen Kontinentalversammlung Europa von mission 21, Basel, beitritt.

Der Synodale Reto Löffel, Oberentfelden, hatte eine Interpellation zur Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende des HEKS Aargau/Solothurn eingereicht. Er fragt darin u.a.: Wie viele Mandate hat die Rechtsberatungsstelle 2012 betreut? In wie vielen Verfahren sind positive Entscheide eingegangen? Welche Folgekosten sind durch negative Entscheide entstanden? Wie hat die Rechtsberatungsstelle eventuelle Anfragen von «renitenten» Asylbewerbern behandelt? Mit der Beantwortung der Fragen durch das HEKS und Kirchenratspräsident Christoph Weber-Berg zeigte sich Reto Löffel sehr zufrieden und attestierte der Arbeit der Rechtsberatung – nicht ohne ein gewisses Erstaunen hohe Qualität. Das würden die geringe Zahl von 12 negativen Entscheiden bei immerhin 128 Verfügungen bzw. Urteilen im Jahr 2012 und die sehr bewusste und restriktive Auswahl von unterstützten Asylverfahren zeigen. Nur Anträge mit berechtigter Aussicht auf Anerkennung werden vom HEKS unterstützt. Oft sind es im Ausland gestellte Asylanträge (sog. Botschaftsverfahren) von engen Familienmitgliedern anerkannter Flüchtlinge. Dabei ging es fast ausschliesslich um Minderjährige, Frauen oder Familien.So würde, wie Weber und Löffel betonten, das HEKS die wichtige christliche Tradition und unverändert aktuelle Aufgabe der Kirche wahrnehmen, Verfolgten Schutz und Respekt zu gewähren. Darauf ging Weber-Berg auch noch in seinem anschliessenden Bericht über die ökumenische Seelsorgearbeit der Aargauer Kirchen im neuen Asylzentrum Bremgarten ein.

Um 16.25 Uhr schloss Synodepräsidentin Silvia Kistler die fast sechsstündige Sitzung mit der Verabschiedung von Franziska Zehnder

verfasst von
ria / Frank Worbs