Medienmitteilung – Verzeihen und vergessen? Das Leben gut abschliessen, aber wie? Diesen Fragen widmet sich Prof. em. Dr. phil. Pasqualina Perrig-Chiello, Emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie, Universität Bern und Leiterin der Seniorenuniversität an einem öffentlichen Themenabend in Aarau. Eine Fragestellung für jeden Zeitpunkt im Leben, am Lebensende gewinnt sie jedoch an Bedeutung.
Im Rahmen eines öffentlichen Themenabend der Lehrgänge in Palliative und Spiritual Care der Aargauer Landeskirchen trafen sich am Dienstag, 25.8.2020, rund 100 Personen bei der Reformierten Landeskirche in Aarau. Frau Prof. em. Dr. phil. Pasqualina Perrig-Chiello referierte und
diskutierte mit den Gästen, selbstverständlich alle mit Maske, über die Themen Schuld und Kränkung sowie Vergebung und Versöhnung. Fragen, die
sich zu jedem Zeitpunkt im Leben stellen. Spätestens aber dann, wenn das Lebensende naht, werden diese Fragen zentraler. Wie lange wollen wir
uns mit der Vergangenheit befassen oder wollen wir Erlebtes auf die Seite legen, um vorwärts schauen zu können. Wie gelangen wir zum inneren
Gleichgewicht und zum seelischen Frieden?
Schnell wird klar, vergeben ist ein innerseelischer Prozess, den ich als Mensch allein gehen kann. Wenn ich aber von Versöhnung spreche, braucht
es mindestens zwei Parteien. Verzeihen soll helfen geschehenes Unrecht zu verarbeiten, loszulassen und allenfalls in unserer Biografie zu
integrieren, um den eigenen Seelenfrieden wiederherzustellen.
Viele Menschen machen andere und vor allem die Eltern für ihre Probleme verantwortlich – dies führt im Verlaufe des Lebens zu grossen seelischen
Belastungen. Je nach Menschen und ihren Charaktereigenschaften fällt das Verzeihen leichter. Personen mit einem engen Wertekorsett, zum
Beispiel, ringen schwerer mit diesem Thema. Die Wende findet dann statt, wenn der Mensch beschliesst, nicht mehr in der Opferrolle zu verharren.
So verliert das Geschehene an Macht. Ohne Chance der Vergebung und Versöhnung bleibt am Ende nur die Verbitterung. Frau Perrig-Chiello, die
das Referat immer wieder mit guten Zitaten aus Psychologie, Philosophie, Kunst und Politik untermauerte, gab den Besuchern einen Leitsatz auf Französisch mit: Pardonner oui, oublier jamais. Was so viel heisst, wie vergeben, aber nicht vergessen.
Was braucht es am Lebensende? Was sind das für Menschen, die im hohen Alter zufrieden sind?
Es ist mehrfach erwiesen das Akzeptieren der eigenen Biografie ist zentral. Im Einklang sein mit der eigenen Vergangenheit und der Umwelt.
Dies stärkt das psychische und auch das physische Wohlbefinden nachhaltig. Gut gealterte Menschen leben im Hier und Jetzt, blicken aber gerne auf ihre Geschichte zurück. Ganz nach Edith Piaf: «Je ne regrette rien».
Menschen, die im Einklang auseinandergehen, durchleben einen einfacheren Trauerprozess. Der Prozess des Verzeihens und Vergebens ist somit Prävention für das Lebensende.