An die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Aargau Der Regierungsrat und die Landeskirchen des Kantons Aargau geben jedes Jahr zum Eidgenössischen Bettag abwechselnd einen Aufruf an die Aargauer Bevölkerung heraus. In diesem Jahr haben die Landeskirchen den Text des Bettagsmandats verfasst.
Der Bettag wird nicht einzig in der Schweiz begangen. Er geht in seinem Ursprung auf das Mittelalter zurück und diente zur Busse und Reue. Erst seit einem Antrag des Kantons Aargau an der Tagsatzung von 1832 wird der Bettag in der Schweiz einheitlich gefeiert. Zur Begründung wurde damals ausgeführt, dass es erhebend wäre, das gesamte Volk der Eidgenossen wenigstens einmal des Jahres zur gleichen Stunde im Gebet zu Gott und für das Vaterland vereinigt zu sehen.
In den letzten zweihundert Jahren hat sich viel verändert. So auch die Religionszugehörigkeit. Es sind neue Religionen in der Schweiz heimisch geworden, und erstmals bilden die Konfessionslosen die grösste Gruppe in unserem Land. Wieso also den Bettag noch gemeinsam begehen? Nur aus Traditionsbewusstsein?
Rückblickend auf die Mandate der letzten Jahre kann festgestellt werden, dass diese stark von den damaligen Krisen, Stichwort Corona oder Ukrainekrieg, oder von Verunsicherungen, Stichwort Künstliche Intelligenz, geprägt waren. Das ist nachvollziehbar, und es kann nicht unerwähnt bleiben, dass diese Verunsicherungen und Krisen heute noch genauso aktuell sind. Gerade darin, kann dem Bettag auch heute noch eine Funktion zukommen unabhängig von der Frage nach der Religion. Dient er doch primär dem Innehalten, dem Nachdenken. Zum Beispiel über die Frage, was hält die Schweiz denn heute im Innersten zusammen?
Nebst Präzision und Pünktlichkeit werden von vielen Personen auch christliche Werte wie Solidarität, Bescheidenheit und Nächstenliebe als typisch schweizerisch genannt. Unser staatliches Wertesystem fusst auf der christlich-abendländischen Kultur. Die Präambel unserer Bundesverfassung beginnt mit «Im Namen Gottes des Allmächtigen!», sie betont die «Verantwortung gegenüber der Schöpfung» und endet nach Fragen zu Freiheit, Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden mit «...dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen». Diese zutiefst christlichen Werte mit Inhalt zu füllen, er- weist sich in einer stark individualisierten und immer mehr international geprägten Gesellschaft, welche von den eingangs erwähnten Verunsicherungen mitgeprägt ist, als zunehmend anspruchsvoll.
Der Bettag bietet sich aufgrund seiner Geschichte an, eine solche Wertediskussion zu führen. Welche Werte sind es, die die Schweiz im Innersten zusammenhalten? Leben wir als Gesellschaft weiterhin die Werte Solidarität, Bescheidenheit und Nächstenliebe? Wie äussert sich das? Sind es neue und andere Werte, welche unser Handeln leiten? Welche Werte sind nötig, um unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt auch künftig zu gewährleisten? Staat und Kirche sollen beide diese Diskussion anregen in unserem Kanton. Die Wertediskussion, die ganz selbstverständlich in Unternehmen und Organisationen geschieht, ist auch immer wieder in unserer Gesellschaft als Ganzes und in unseren Kirchen nötig. Denn wer sich mit den Fragen nach den gemeinsamen Werten auseinandersetzt, betont das Verbindende und stellt fest, dass wir in der Schweiz wie kaum anderswo Möglichkeiten haben, uns einzubringen, sei das im politischen oder im kirchenpolitischen Kontext. Auch daran darf am Bettag erinnert werden.